Samstag, 11. April 2015

Geschichte relativiert

Wenn sie einem in der Schule versuchen, Geschichte einzutrichtern, so hat das stets den Anschein, als sei all das wahr. Nicht nur die sogenannten "Fakten", auch logisch-schlüssige Erklärungen und Abfolgen werden mitgeliefert. Dann kommt der Test und man vergißt es auch rasch wieder. Dabei: mindestens genau so spannend wie die Geschichte selbst, ist die Frage, woher kommt das. Denn Geschichte ist nur EINE Geschichte, EINE Sichtweise, EIN Konstrukt. Was dem einen ein Freiheitskämpfer, ist für die anderen ein Terrorist. Befreiung oder Besatzung? Und da wird es auch schon politisch. Denn das Gros der Bevölkerung hat seinen Geschichtsbegriff aus der Schule. Die dort vertretene Lehre und besonders die Schulbücher geben eine Sichtweise ab, die von Politikern als "richtig" angesehen wird. Wie "richtig" aber Geschichte sein kann, hat Umberto Eco in "Der Friedhof von Prag" schön skizziert. Er hat dabei praktisch ausschließlich auf real existenten Personen die Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion konstruiert auf Basis von Schwindel, Fälschung, Abschreiben und Erfindung. Und wenn ein solcherart gefälschter Bericht auch noch so an den Haaren herbeigezogen ist, wenn er jemanden nützt und dazu einen hohen Preis hat, wird er geglaubt. Daneben macht der Roman von Eco auch noch Freude, da er in eine der (für mich) spannensten Epochen fällt, nämlich das ausgehende neunzehnte Jahrhundert, das Umbrüche brachte, die gewiß noch radikaler waren, als was uns heute Computer und Internet bescheren. Zudem fragt man sich immer, wie Eco solch aberwitzige, historische Charaktäre so lebhaft in Szene setzen kann.

Umberto Eco: Der Friedhof von Prag.

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