Freitag, 21. Dezember 2018

Hans hat´s hart

Das ist schon spannend, wie Hesse in "Unterm Rad" ein Phänomen voraussieht, das heute verbreitet ist wie der Teufel. Es geht ihm ja darum, das manchmal oberflächlich ruhige, manchmal aufwütende, aber jedenfalls heikle Brackwasser zwischen Kindheit und erwachsen sein aufs Tableau zu bringen. Damals war es der Ausnahmeschüler Giebenrath, der unter die Räder des Gelehrigkeitsbetriebes und des fremden Ehrgeizes kam, dem man seine Kindheit nahm, aber keinen Ersatz anbot. Heute trifft das auf sehr viel mehr und auch weniger Begabte zu. Gerade in dieser schwierigen Zeit verlangt man einerseits, zentrale Entscheidungen über die Laufbahn und künftige Chancen zu treffen, andererseits unglaubliche Leistungen, um dem Vorhaben gerecht zu werden, um nicht aus der Schule zu segeln. Das ist lebenszeitlich völlig deplaciert. Würde man noch zwei Jahre draufgeben und die Entscheidung mit 16 treffen lassen, da würden nicht so viele unters Rad kommen.

Hermann Hesse: Unterm Rad. (Sz-Bibliothek Bd.46)

Donnerstag, 20. Dezember 2018

Nicht locker, adult, vol. 2


Thomas Brezina hat mit Schatten der Zukunft den nächsten Teil seiner erwachsenen Knickerbocker vorgelegt. Die kurzatmige Schreibweise mit sehr raschen Sprüngen zwischen parallelen Verläufen passt irgendwie dazu hier. Aus dem schier endlosen Repatoire von Erwachsenenproblemen (Alkohol, Ehebruch, Karriere...) wurden wieder ein paar herausgefischt für die vier. Trotzdem ist es eine "harmlose" Angelegenheit und somit als lockere Lektüre für etwas größere Knickerbocker auch geeignet.

Samstag, 24. November 2018

Der doppelte Hans

Der Hans hat es nicht leicht. Er ist schon mal in keinem einfachen Alter, Abi-Alter. Er muss in zwei Handlungssträngen, die eigentlich nacheinander ablaufen, parallel spielen. Er hat Sorgen: zuerst der Gefangene des Vaters. Das Häuschen, das nicht zur Verfügung steht. Dann der Tod des Vaters. Die neue Familie, und wie davon loskommen. Darin weiters: Martha, die Freundin und gleichzeitg schon wieder Ex, und die verrückte Schwester. Weniger aufwendig wäre es zu fragen, was einfach ist für ihn. Vielleicht die Zeit davor und danach. Wer weiß das schon.

Jurek Becker: Bronsteins Kinder. Bd.45 SZ-Bibliothek

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Tatort Lübeck?

Als Tatortschauer ist mir sofort eingeschossen, dass Jobst Schlennstedts Krimi "Traveblut" locker die Vorlage für den Tatort Lübeck geben würde - den es nicht gibt im ARD - den es aber mal gab, wie man nachlesen kann (zwei Folgen, 1981). Dieses Buch hat alle Zutaten: einen Mörder mit dunkler Vergangenheit und Opfern, die auch nicht ganz unschuldig sind. Einen Kommissar, der einen ordentlichen Rucksack an eigenen Problemen mitschleppt. Seine netten Kollegen und Kolleginnen, der Chef und so weiter. Dazu natürlich eine Portion Lokalcolorit. Insgesamt ein rasches Lesevergnügen, dem es aber an Tiefgang fehlt. Vielleicht wäre er beim Fernsehen besser aufgehoben, und man hebt den Tatort Lübeck aus der Taufe mit Aktionsradius Schleswig Holstein.

Jobst Schlennstedt: Traveblut

ABC from AB West

Jetzt ist das schon eine sehr bemerkenswerte Leistung. Wenn eine Schülerin ein fast 400 seitiges Buch abfasst und veröffentlicht. Natürlich könnte man sich fragen, welcher Erfahrungshorizont die Phantasie beflügelt hat. Ich meine: auch eine lebhafte Phantasie braucht Inputs, Dinge, die sie durcheinanderwirbeln kann und damit völlig Neues produzieren. Im 21. Jahrhundert haben wir neben der guten, alten eigenen Wahrnehmung und dem eigenen Erleben auch viel medial vermitteltes. Von der Grundidee für Olivia Endless gibt es ein ganzes Sammelsurium von Fantasyromanen mit der einen oder anderen Ausrichtung im Detail. Spannend ist natürlich, dass jeder Autor, jede Autorin zu der Fantasygrundidee verschiedenste Dinge in den Text projiziert: Gefühle, Ängste, Wünsche, Träume, Möglichkeiten, Unmöglichkeiten und so weiter. Und so finden wir uns ganz zeitgemäß wieder in der realen Welt, und wir werden in die Parallelwelt eingeführt. So eine Parallelwelt braucht natürlich eher präzise als offene Regeln. Sonst ist vermutlich wenig Spannung aufzubauen, wenn plötzlich zu viel an "Schwerkraft" verloren geht. Aber das hat sie gut geschafft, gerade ein mal, beim Schutzschild am See nach dem Sturz, konnte man sich fragen: okay, passt das jetzt ins Schema dieser Welt? Die Story ist sonst recht flott geschrieben, und die Jugendkultur kommt auch verbal mit "Bist du fotogeshoppt". Natürlich kann man an die Textqualität nicht den Anspruch von Autoren stellen, die am Höhepunkt ihres Schaffens mit einer Sprache aufwarten, die es schon alleine wert ist. Aber A.B.West ist am Beginn, und sie hat sicher noch nicht genug.

A.B.West: Olivia Endless. Die Prophezeihung

Montag, 24. September 2018

Doch: der gute Piet

Jetzt könnte man bei disem Buch die gesellschaftliche Perspektive suchen
und herausragend finden. Es ist ja nicht ganz neu, die Erkenntnis, dass eine Generation es jeweils "neu" und auf ihre Weise machen will. Als Abgrenzung dient häuft die Elterngeneration, und wenn die noch weit weg ist, dann ist das überhaupt klar. Weit weg, da sind wir bei Amerika mit seiner Mobilität. Da hat die aktuelle Generation das Leben im Speckgürtel entdeckt, in einem Städtchen namens Tarbox direkt am Meer. Bildung und ein Wohlstand der Mittelschicht bringen die Zugezogenen zusammen, die Ehepaare, die gerade mal die ersten Punkte des Programms: Ausbildung - Partnersuche - Beruf - Haus - Kinder (teilweise) hinter sich haben. Und nun verbringen sie viel Zeit in ihrer Gruppe: Parties, Skiurlaub, Tennis, Standausflüge, Sport im Garten. Soweit so gut, und nun bringt John Updike Unruhe in diese Idylle mit dem Ehebruch. Auch nichts Neues, aber natürlich befeuert von den Möglichkeiten, die sich bieten, Pille etc., und vor allem im "Freundeskreis". Vor allem wird der Ehebruch zum Leitthema, eingebettet in die sechziger Jahre. Natürlich kommt dann schon die nächste Generation, die es wieder anders machen will: Woodstock und 1968 steht bevor.

Man könnte aber auch die Personen sehen. Auf über fünfhundert Seiten wird man mit den Charaktären so vertraut, dass es mir immer bei Büchern ein wenig schwer fällt, Abschied zu nehmen von all dem. Piet Hannemann: warum ist er so sympathisch? Bei all dem, was er anstellt? Er ist der einzige der Männer der Paare, die noch Bezug zu einer Handarbeit haben, zu körperlicher Arbeit. Mit der aprikosenfarbenen Lederjacke und einem Bleistift hinter dem Ohr, mit der Liebe zu Holz und dem Geruch von frischen Spänen kontrastiert er die Papiertiger, obwohl der kalte Ken (gab es damals schon Ken und Barby, weil der Name so geschickt gewählt wurde) größer und ansehlicher ist. Aber Piet strahlt etwas viriles aus, und an einer Stelle wird er als altmodisch, als der einzige, der kein bißchen homosexuell ist, beschrieben. Aber auch den anderen Charaktären fühlt man sich zugetan, dem schrägen Freddy Thorne, der sich die schöne Angela auf speziell verworrene Weise verdient. Alas, sie werden mir fehlen. Eigentlich wäre es garnicht nötig, im letzten Drittel so aufreibende Verläufe der Handlung (Schwangerschaft, Abtreibung, Eingeständnis, Scheidung, Trennung) heranzuziehen. Hier gäbe das Leben der Paare auch so genug her, genauso wie die Sprache und die inneren und äußeren Beschreibungen.

Dieses Buch ist nicht umsonst ein Klassiker.

John Updike: Ehepaare

Sonntag, 16. September 2018

Taferlriss! Und, weiter?

(Wichtige Anmerkung vorweg: Haftungsausschluss: dieser Beitrag ist von einem Laien verfasst. Alle darauf beruhenden Entscheidungen oder Handlungen erfolgen auf eigene Gefahr und eigene Verwantwortung. Stand 3.Quartal 2018. Ziel ist, aufzuzeigen, dass Moped-Tuning kein Kavaliersdelikt ist, sondern ernste Probleme mit sich bringt.)

Was ist ein "Taferlriss"? Die österreichisch umgangssprachliche Bezeichnung für Kennzeichenentzug bei einem Moped aufgrund von Mängeln, die keine Straßentauglichkeit zulassen. Bevor wir uns mit dem Riss und den Folgen beschäftigen:

Was kann ich vorweg tun, um den Taferlriss zu vermeiden?

Vorsicht ist (viel!) besser als Nachsicht. Wenn man ein gebrauchtes Moped kauft, sollte man einmal testen, welche höchste Geschwindigkeit damit erreicht werden kann. Liegt diese über 65-70km/h, kann man davon ausgehen, dass wesentliche Änderungen vorgenommen worden sind. Man kann das Moped trotzdem kaufen. Aber man sollte den Verkäufer fragen, welche Änderungen durchgeführt worden sind und ob er noch die Originalteile hat. Die soll er dazugeben.

Danach sollte man das Moped soweit zurückbauen, dass die Geschwindigkeit in einem "gewissen Rahmen" bleibt. Wieviel man genau haben sollte, ist natürlich nicht klar zu sagen. 65-70km/h oder mehr sind jedenfalls zu viel. Unter 60km/h sollte vermutlich passen (das Gesetz sieht 45km/h vor, aber ich glaube, dass sogar nagelneue, originalbelassene Mopeds ein wenig schneller gehen). Achtung: eine Strafe bekommt man auch schon für kleinere Überschreitungen! Aber wir reden hier von Kennzeichenentzug. Ich habe noch nie gehört, dass jemand bei unter 60km/h die Kennzeichen genommen wurden.

Dazwischen (60 bis 70): Geschmacksfrage. Achtung übrigens: möglicherweise zeigt der Tacho auch nicht mehr richtig an. Wer es genau wissen will, kann jemanden bitten, mit dem Auto hinten nach zu fahren und auf den Tacho zu schauen. (oder in die Fachwerkstätte)

Rückbau: was sind gängige Umbauten?


Drossel: im Auspuff, gleich nach dem Krümmer, befindet sich eine Drossel. Das sieht aus, wie eine große Beilegescheibe. Zum Rückbau gibt es eine Ersatzdrossel (+Dichtungen), die eingebaut werden kann. Diese Drossel hat in der Mitte ein Loch (ca. 10mm Durchmesser). Dieses Loch kann man am Ende (nach allen anderen Rückbauten) vergrößern, um sozusagen die höchste Geschwindigkeit einzustellen. Aber Vorsicht: 1mm Vergrößerung hat schon eine starke Auswirkung, also lieber schrittweise anpassen und wieder ausprobieren zwischendurch.

Ritzel: Am Moped befindet sich eine Angabe, wieviele Zähne das Ritzel (kleines Zahnrad im Antriebssatz motorseitig) haben sollte. Hier muss unbedingt das Original drauf, denn es ist sehr einfach, durch Abzählen der Zähne einen Umbau nachzuweisen.

Auspuff: Falls ein anderer (Sportauspuff) Auspuff montiert wurde, sollte dieser im Typenschein eingetragen sein. Ansonsten wäre auch hier der Rückbau zu überlegen (ist nämlich auch offensichtlich erkennbar)

Vergaser: Ob hier Änderungen vorgenommen worden sind, ist nicht so einfach zu erkennen. Falls man mit dem Rückbau der vorher genannten Dinge die Höchstgeschwindigkeit angepasst hat, sollte der Vergaser kein Problem sein.

Und? Natürlich fährt sich das Moped nach Rückbau nicht mehr so gut. Aber lieber keine oder eine Strafe, weil es etwas zu schnell geht, als ein Taferlriss!

Nicht auf mich gehört? Taferlriss!


Wie wahrscheinlich ist ein Taferlriss? Das lässt sich schwer beantworten. Vor allem in Stadtnähe wird es nur eine Frage der Zeit sein. Aber auch am weiten Land ist man nicht gefeit. Und vor allem ist der Taferlriss ja noch eine milde Form. Denn wenn ihr einen Unfall verursacht, womöglich aufgrund überhöhter Geschwindigkeit, womöglich mit Personenschaden, dann seit ihr ganz schnell in einer Situation, die ihr viele Jahre lang bitter bereuen werdet.

Nun zum Ablauf (wer nicht hören will, muss fühlen): entweder fährt ihr in eine Kontrolle oder ihr werdet mit überhöhter Geschwindigkeit von der Polizei erwischt. Radarmessungen oder sie fahren einfach hinter Euch und schauen auf den Tacho (Achtung: es gibt auch Zivilstreifen). Ihr werdet gestoppt und es wird gleich geprüft, ob ihr etwaige elektrische Systeme habt, die die Geschwindigkeit herabsetzen. Aber keine Sorge: die Aussage der Beamten, sie seien Euch mit 80 nachgefahren, reicht bereits aus. Als nächstes geht es auf den Rollprüfstand (sogenannte "Walze"). Das Moped wird mit dem Hinterrad draufgestellt und die Gänge durchgeschalten. Das Messergebnis wird abgelesen. Angeblich (!) bei 73km/h Messergebnis (Achtung: Walze ist nicht gleich ebene Straße, Walze zeigt mehr an) ist das Taferl weg. D.h., Kennzeichen und Zulassungsschein werden abgenommen, das Moped müsst ihr heim schieben oder euch abholen lassen.

Wie geht es weiter? Die Überprüfung gemäß §56 Kraftfahrgesetz


Als nächstes bekommt ihr ein Schreiben (ca. nach 1-2 Wochen, wo ihr das Moped nicht benützen könnt - ist auch blöd, wenn man damit in die Arbeit oder Schule fahren muss). Dieses Schreiben ist eine Vorladung zur "besonderen Überprüfung" gemäß §56 KFG. Ihr müsst zuerst mit der jeweiligen Stelle in eurem Bezirk (ist dort genannt) einen Termin vereinbaren. Auch hier gibt es Wartezeiten, können durchaus auch einige Wochen sein. (Also lange Zeit ohne Moped) Habt ihr den Termin, bringt ihr das umgebaute Moped dort hin (hinfahren mit dem Moped geht natürlich nicht). Dort geschieht so etwas Ähnliches wie eine Pickerlüberprüfung, nur eben deutlich genauer und durch Beamte und nicht eine normale Werkstätte. Dabei wird neben dem Üblichen (Fahrgestell, Bremsen, lose Teile, Rückspiegel usw.) auch Wert gelegt auf Lichter, Reflektoren und natürlich haben die einen Rollprüfstand (Walze). Welcher Wert hier akzeptiert wird, weiß ich nicht. Aber bis 60km/h auf der Walze (was ja auf der Straße nicht so schnell sein kann wegen Luftwiderstand, Rollwiderstand etc) sollten auf jeden Fall akzeptiert werden. Hinweis: seid gründlich, nicht "probieren". Denn wenn ihr hier nicht durchkommt, müsst ihr einen neuen Termin vereinbaren (= noch mehr Zeit). Kleine Nachbesserungen (zB Reflektor fehlt) könnt ihr dort sofort vornehmen, man wird fair und korrekt behandelt. Habt ihr es geschafft, bekommt ihr ein Gutachten, mit dem ihr bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft die Kennzeichen und den Zulassungsschein wieder bekommt. Kosten bisher? Nur das Umbaumaterial. Aber wird sind noch nicht fertig.

Jetzt wird es hart: die Polizeistrafe


Das ist der unschöne Teil. Der Zulassungsinhaber und der Lenker bekommen getrennt voneinander Strafen. Als Richtmaß, das für eine Erstbegehung wahrscheinlich überall ähnlich verhängt wird, kann ich euch sagen:
  • Zulassungshinhaber: cirka 300 EUR
  • Lenker: cirka 700 EUR
Macht also in etwa 1000 EUR aus. Weiters bekommt ihr eine Führerscheinvormerkung, das heißt: wenn ihr innerhalb von zwei Jahren einen weiteren Delikt einer Liste (Fahren mit Alkohol, Fahren mit technischen Mängeln = zB Moped, das zu schnell geht, usw.) begeht, müsst ihr zu einer Führerscheinnachschulung, und es kommt eine noch längere Beobachtungsfrist und höhere Strafen und irgendwann ist der Führerschein weg.

Wie kommt es zu dieser hohen Geldstrafe? Das Problem ist, dass ihr mehrere Delikte begeht. Weiter unten habe ich eine Aufstellung in Tabellenform. Ihr habt also zwei Wochen Zeit zum Einzahlen. Oder ihr könnt Einspruch erheben.

Einspruch? ja-nein-vielleicht


Vorweg: nur zum Probieren Einspruch erheben lohnt sich nicht. Denn es werden je Delikt (von denen ihr ja mehrere habt) 10% der Strafe als Verfahrenskosten verrechnet, jedoch mindestens 10 EUR je Delikt. Könnten also für alles nochmal 100 EUR oder mehr sein. Also vorher überlegen.

Es gibt zwei Möglichkeiten des Einspruchs. (a) gegen die sachliche Richtigkeit. In diesem Fall ist das eher sinnlos, denn das Moped wurde als zu schnell mit einem geeichten Gerät gemessen. Da kann man nicht viel diskutieren. (b) nur gegen die Strafhöhe, also Strafe ja, aber bitte nicht so viel. Wie geht ihr für Punkt (b) vor? Wie in der Tabelle unten gezeigt, wird für jede einzelne Strafe das Gesetz angegeben. Ihr googelt also einfach z.B. §134 Abs.1 KFG und lest nach. Irgendwo steht dann so etwas wie "wer ... begeht... ist mit einer Geldstrafe bis zu 5000 EUR" zu bestrafen. Möglicherweise steht weiter unten im Gesetz noch ein Zusatz, wonach für bestimmte Vergehen mindestens so und so viel Mindeststrafe einzuheben ist. Habt ihr nun bei einem Delikt, das mit "bis zu 5000 EUR" bestraft wird, 50 oder 100 EUR stehen, dann seid ihr im Strafrahmen weit unten. Ob das noch tiefer geht? Um es rauszufinden, muss man Einspruch erheben und dann eben 10% von 50 EUR = 5, aber mindestens 10 EUR, also 10 EUR bezahlen. Ich denke, das wird eher sinnlos sein. Aber vielleicht gibt es für ein Delikt einen höheren Betrag. Dann schaut man sich den an. Vielleicht das Führerscheingesetz (§37 FSG): hier ist der Strafrahmen 36 bis 2180 EUR (Stand 3Quartal 2018), und wenn ihr da 363 EUR stehen habt, ist das in Relation nicht ganz am unteren Ende. Es gibt hier einen Zusatzpunkt (Absatz 3) im Paragraphen, wonach MINDESTENS 363 EUR fällig werden. Das gilt aber nur, wenn Ihr gar keinen Führerschein habt.

Wie kann jetzt im Einspruch argumentiert werden? Bei der Strafhöhe wird grundsätzlich von der Behörde ein Einkommen angenommen. Die Idee ist, dass die Strafe jedem Bürger ungefähr "gleich weh" tun soll. Und jemand, der viel verdient, lacht vielleicht über ein paar hundert Euro, ein anderer nagt an der Existenz. Also: 1. Argument: ihr habt kein oder ein geringes Einkommen. 2. Argument: ihr habt noch nie eine Strafe gehabt (falls doch, dann sollte man vielleicht einfach einzahlen und sich bessern). 3. Argument: ihr habt das Moped zurückgebaut und schon die Überprüfung §56 erfolgreich absolviert. Vielleicht (und wirklich nur vielleicht!!) kann das eine Verringerung bringen. Falls nicht, habt ihr weitere (im Beispiel mit 363 EUR) 36,30 EUR in den Sand gesetzt. Wird bei 1000 auch schon egal sein.

Hier die Tabelle der Delikte, die ihr begeht mit Gesetz und Strafrahmen

a.) Zulassungsinhaber
  1. Fahrzeug entspricht nicht dem Kraftfahrgesetz. §134 KFG (bis zu 5000EUR)
  2. Fahrzeug ist nicht richtig versichert, da kein Moped mehr. §134 KFG (bis zu 5000EUR)
  3. Fahrzeug jemanden überlassen, der nicht damit fahren darf. §134 KFG (bis zu 5000EUR)
  4. Beihilfe zur Verwaltungsübertretung des Lenkers. §134 KFG (bis zu 5000EUR)
b.) Lenker
  1. Zu schnell gefahren* (als mit einem Moped erlaubt ist) §134 KFG (bis zu 5000EUR) 
  2. Fahrzeug nicht richtig versichert §134 KFG (bis zu 5000EUR)
  3. Kein ausreichender Führerschein* da kein Moped mehr sondern Motorrad §37 FSG (36 bis 2180EUR)
  4. Sich nicht vor Fahrantritt überzeugt, dass das Fahrzeug verkehrstauglich ist §134 KFG (bis zu 5000EUR)
  5. Fahrzeug ist nicht richtig zum Verkehr zugelassen, da kein Moped mehr §134 KFG (bis zu 5000EUR)
Man sieht, dass 8 Delikte mit JEWEILS bis zu 5000 EUR bestraft werden könnten. Die mit * gekennzeichneten können nicht zutreffen, wenn ihr nicht wirklich so schnell gefahren seid (gemessen von Polizei), sondern nur der Rolltest bei einer Kontrolle das ergeben hat. Oder im Fall (3) wenn ihr einen Führerschein für Motorräder (A1, A2, A) habt (und nicht nur AM).

Zusammenfassung


Ich hoffe, diese Erläuterungen haben Euch davon abgebracht, mit einem getunten Moped, das zu schnell läuft, zu fahren. Falls ihr es so gebraucht gekauft habt, baut das Ärgste zurück. Bleibt unter 70km/h, lieber noch weniger, unter 60km/h. 1000 EUR Strafe winken, und bei einem Unfall wirds noch viel schlimmer. Ach ja, davonfahren oder ein zweites Mal erwischt werden, da werden Euch die 1000EUR noch geschenkt vorkommen. Ihr habt im "Mopedalter" erstmals Gelegenheit zwischen entschuldbarer Unvernunft (wo man noch darüber lachen kann) und ernsten Delikten zu unterscheiden. Schlagt nicht über die Strenge, es lohnt nicht.


Dienstag, 4. September 2018

Mehrwertige Felder und Bilder in Tabellen

Mehrwertige Felder ("Mehrere Werte zulassen" in Tabellendefinition) und Bilder ("Anlage") können in Microsoft Access dazu führen, dass man aus zwei Tabellen mit identen Feldern nicht mehr Datensätze von einer in die andere kopieren kann. Die Fehlermeldung verrät auf den ersten Blick nicht, worum es geht: "Sie haben möglicherweise Text in ein numerisches Feld eingegeben, oder Sie haben eine Zahl eingegeben, die größer ist, als die Feldgröße-Einstellung zulässt"


Hier ein Lösungsweg:
Annahme: Datenbankdatei A und B mit gleichen Tabellen t_A und t_B. Wir möchten die Inhalte von t_B an t_A anfügen.

1) Erstelle eine Anfügeabfrage

, welche jene Felder aus t_B auswählt, die keine mehrwertigen Felder haben und auch keine Anlagenfelder. Diese kann dann einmal ausgeführt werden.

Für die weiteren Schritte gehe ich davon aus, dass die Datensätze irgend eine Form von ID oder Schlüssel haben, sodass man sie eindeutig identifizieren kann.

2) Wie funktionieren für VBA mehrwertige Felder?

nehmen wir B1 als Recordset für t_B:
set B1 = currentdb.openrecordset("t_B")
Und seit das mehrwertige Feld "mwfeld".
Wenn nun der zeiger des recordset B1 am gewünschten Datensatz ist, so erstellt man einen zweiten Recordsetz aus dem mwfeld:
set B2 = B1.fields("mwfeld")
Hierin sind nun die einzelnen Werte. Um sie durchzulaufen kann man folgende Schleife verwenden.

if B2.recordcount>0 then
  B2.movefirst
  do while not B2.eof
    debug.print B2.fields(0) ' wir geben hier einfach mal den Wert aus
    B2.movenext
  loop
end if

Für alle Datensätze in t_A habe ich dann folgende Lösung: (gesamtes Listing am Ende)

(Schleife) Durchlauf der Datensätze  von t_A als recordset
(Schleife) suchen des Datensatzes von t_B mit gleicher ID, Schlüssel odgl.
(Wenn gefunden)
(Schleife wie oben mit B1) für mwFeld in t_B, statt des debug.print fügen wir jeden Wert ein:
A2.add
A2.fields(0) = B2.fields(0)
A2.update

Achtung: einen gleichen Wert zwei Mal einfügen verursacht einen Fehler.
Den kann man sich ersparen, in dem man A2 vorher entleert:
If A2.RecordCount > 0 Then A2.Delete

3) Wie funkioniert das für VBA Anlagefelder?


Zuerst habe ich die Bilder aus der Quelltabelle t_B in ein Verzeichnis gespeichert. Als Dateinamen habe ich den Primärschlüssel verwendet.
Wiederum wird aus dem Feld selbst ein recordset (im recordset) erstellt.
Zentraler Code ist dann:
B2("FileData").SaveToFile (ordner & fn & "." & dt)
Damit wirddas Bild im Ordner ordner mit Dateinamen fn und Dateityp dt gespeichert.

Beim Einlesen wird zuerst das Verzeichnis eingelesen (hierzu ist der Verweis auf scripting runtime notwendig!
Es wird der zum Dateinamen -> ID/Schlüssel passende Datensatz gesucht, dann wiederum A2 als recordset gesetzt und dann mittels:
A2("FileData").LoadFromFile (bildordner & "\" & ab)
wobei ab der Bildname ist, der vorher beim Einlesen in ein Array gespeichert wird.

Hinweise zum Listing: die Feldnamen mit Umlauten waren schon vorgegeben - würde ich nicht so benennen. All das ist Q&D, aber es funktioniert.

Listing: Mehrwertige Felder


Public Sub append_t_datastart2_vba()

    Const tq As String = "t_B"
    Const tz As String = "t_A"
   
    Dim rq As Recordset
    Set rq = CurrentDb.OpenRecordset(tq)
    Dim rz As Recordset
    Set rz = CurrentDb.OpenRecordset(tz)
    Dim r1 As Recordset
    Dim r2 As Recordset
    Dim fund As Boolean
    Dim gefunden As Integer
    gefunden = 0
       
    rq.MoveFirst
    Do While Not rq.EOF
        such = rq.Fields("Primärschlüssel")
        Debug.Print "beginne mit " & such
       
        ' Ziel einstellen
        fund = False
        rz.MoveFirst
        If Not (IsNull(rz.Fields("Primärschlüssel"))) Then fund = (rz.Fields("Primärschlüssel") = such)
        Do While Not fund
            If Not (IsNull(rz.Fields("Primärschlüssel"))) Then fund = (rz.Fields("Primärschlüssel") = such)
            If Not fund Then rz.MoveNext
        Loop
       
        If fund And rz.Fields("Primärschlüssel") = rq.Fields("Primärschlüssel") Then
            gefunden = gefunden + 1
       

            feld = "feldname1"
            rz.Edit
            Set r1 = rq.Fields(feld).Value
            Set r2 = rz.Fields(feld).Value
            If r2.RecordCount > 0 Then r2.Delete ' lösche alle Werte, falls vorhanden
           
           
           
            r1.MoveFirst
            Do While Not r1.EOF
                x1 = r1.Fields(0)
                Debug.Print x1
                r2.AddNew
                r2.Fields(0) = x1
                r2.Update
                r1.MoveNext
            Loop
           
            rz.Update
           
        Else
            Debug.Print "nicht gefunden"
        End If
    rq.MoveNext
    Loop

Debug.Print "insgesamt gefunden " & gefunden
End Sub


Listing: Bilder auslesen und speichern



Sub Bilder_auslesen()

    ordner = "M:\bilder\"
    tabelle = "t_B"
   
    Dim anzB As Integer
    anzB = 0
   
    Set db = CurrentDb
    Dim r As Recordset2
    Set r = db.OpenRecordset(tabelle)
    Dim r2 As Recordset2
    r.MoveFirst
   
    Do While Not r.EOF
   
        fn = r.Fields("Primärschlüssel")
        Dim f As Field2
        Set f = r.Fields("Foto")
       
       
        Set r2 = f.Value
        anz = r2.RecordCount
        If anz > 0 Then
            s = r2("FileName")
            Debug.Print s
            'dateityp
            s = Right(s, 5)
            s2 = InStr(s, ".")
            dt = Right(s, Len(s) - s2)
           
       
            r2("FileData").SaveToFile (ordner & fn & "." & dt)
            anzB = anzB + 1
       
        End If
        r2.Close
        r.MoveNext
    Loop
    anzd = r.RecordCount
    MsgBox (anzB & " Bilder gespeichert von " & anzd & " Datensätzen")
    r.Close
End Sub


Listing: Bilder einlesen


Sub bilder_einlesen()
   '  Verweis auf scrrun.dll nicht vergessen
    Const tabelle As String = "t_A"
   
    Dim bilder(1000) As String
   
    z = 0
    bildordner = "M:\bilder"
   
    ' Verzeichnis Dateinamen auslesen und in array bilder() schreiben
        Dim fso_obj As Object
        Dim fso_verz As Object
        Dim fso_liste As Object
        Dim fso_eintrag As Object
       
        Set fso_obj = CreateObject("scripting.FileSystemObject")
        Set fso_verz = fso_obj.GetFolder(bildordner)
        Set fso_liste = fso_verz.Files
       
        For Each fso_eintrag In fso_liste
            z = z + 1
            bilder(z) = fso_eintrag.Name
       
       
        Next fso_eintrag
       
    Debug.Print z & " Treffer"
    treffer = 0
   
    Set db = CurrentDb
    Dim r As Recordset2
    Set r = db.OpenRecordset(tabelle)
    Dim f As Field2
    Set f = r.Fields("Foto")
    Dim r2 As Recordset2
   
   
    For n = 1 To z
        ' für jedes Bild den Datensatz suchen
        ab = bilder(n)
        ps = Left(ab, InStr(ab, ".") - 1)
        r.MoveFirst
        Do While Not r.EOF
            If r.Fields("Primärschlüssel") = ps Then
               
                treffer = treffer + 1
                Set r2 = f.Value
                r.Edit
                r2.AddNew
                r2("FileData").LoadFromFile (bildordner & "\" & ab)
                r2.Update
                r2.Close
   
    r.Update
       
            End If
        r.MoveNext
        Loop
   
   
    Next n
   
    Debug.Print treffer & " zugeordnet"
   
   
End Sub

Dienstag, 28. August 2018

Donnerwetter!

In ein stabiles Hoch, das, einem gut geölten Räderwerk gleich, seine Wege geht, wo jede, wo jeder seine Rolle kennt und spielt, kommt plötzlich Bewegung und es wird gehörig schwül und drückend. Ungemach droht. Bevor Gueret ins Spiel kommt: Frau Londe mit ihrer Neugier und ihrem Restaurant, beides gut in Schuss durch Angele, die verlässlich die Kundenbindung auf eine Weise besorgt, die kein Mann ablehnen kann. So ein Kunde ist auch Herr Grosgeorge und seine Frau wiederum ist zu diszipliniert, hat ihr Innenleben so gut im Griff (oder abgewürgt), dass nichts passieren kann. Aber dann verschiebt sich alles: Gueret verliebt sich in Angele. Angele spielt mit Gueret. Frau Londe will Gueret unbedingt ans Restaurant binden. Gueret ist Hauslehrer bei den Grosgeorges. Frau Grosgeorges ist doch nicht so unnahbar. Und dann bricht der Sturm los. Durch die Abhängigkeiten zieht es alle mit. Das System erweist sich als labil. Jeder versucht, seinen eigenen Leviathan, sein eigenes Monster in sich zu besiegen. Aussichtslos.

Julien Greene: Leviathan. (Bd.43 Sz Bibl)

Montag, 13. August 2018

Doppelt verrückt hält besser

Hier wird zweigleisig gefahren, aber wie! Zum einen haben wir eine bereits aus dem Normalen herausgehende Situation, die aber in der aktuellen Literatur nicht unbeliebt sein dürfte (hier), nämlich ein Mann der seine (jüngere) Frau gezielt Fremden preisgibt, zum anderen hat Arianne noch weitere, noch verrücktere Geheimnisse. Außerdem wird in zwei Richtungen erzählt, vorwärts und rückwärts bzw. aus dem Rückspiegel kommend. Das baut mehrfach Spannung auf. Das Erzähltempo, mitreißend, und der Umfang macht es zu einem Buch, das man in einem Zug zu sich nehmen sollte. Man will ja den armen Mario nicht noch länger warten lassen, in dem man nicht weiterliest...

Andrea Camilleri: Mein ein und alles.

Mittwoch, 8. August 2018

Tiefgehende Tiefe

Vor einiger Zeit betrag ich ein als Museum dienendes U-Boot (Typ XXI). Als Zufutter habe ich also zu "Das Boot" gegriffen. Zwar hatte ich die Verfilmung vor längerer Zeit einmal gesehen, aber meistens gibt das Buch, das vor dem Film erscheint, mehr her. Auch hier. Bemerkenswert ist hieran vieles, einmal abgesehen von den technischen Beschreibungen und der Seemannssprache, die man hier lernt, hat Buchheim von einer durchgestylten, effizienten Dramturgie abgesehen und dafür viel Stimmung mitverpackt. Die Gammelfahrt insbesondere ist zu erwähnen. Auch die Szene mit dem spanischen Passagierschiff (fehlt übrigens im Film). Und die Kraft der Charaktäre ist auch im Film unerreichbar, bestenfalls als "angelehnt" zu bezeichnen. Ein kraftvolles Werk, das gerade durch seine Länge und dadurch besticht, dass es nicht explizit wertet, sondern zeigt.

Lothar-Günther Buchheim: Das Boot

Mittwoch, 25. Juli 2018

Alles aus der Schweiz: diesmal der Krimi

Uhrwerk, Käse, Messer, Nummernkonto, Hustenzuckerl: worin liegt das Schweizerische? Friedrich Dürrenmatt als die schweizer Literatur lasse ich gelten. Obwohl das Werk auch schöne beschreibende Elemente hat, auch ein wenig Aktion, sind es doch die Dialoge, die ich hier als erstes kaufen würde. Und die harte Vehemenz, mit der der Leser auf wesentliche Momente gestoßen wird. Wie ich nachlas, ist das Werk als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung erschienen, und da waren das vermutlich die gut gesetzten Cliffhanger. Die Völlerei am Schluss, das Finale, Bärlach und Tschanz, brilliant, atemberaubend. Nicht umsonst ein Klassiker. Schweiz eben.

Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker.


Montag, 23. Juli 2018

Der Leser kehrt zurück zum Buch und hin zum Ort

Jetzt liest Du ein Buch und bist begeistert. Auch vom Austragungsort der Geschichte, die auch ohne Ort schon mehr als ausreichend wäre. Und die Idee, dort hin zu reisen setzt sich fest. Und nachdem es Jahre später Wirklichkeit geworden ist, nimmst Du das Buch natürlich mit: jetzt, wo Du den Norden direkt auf Dich wirken lassen kannst. Vielleicht siehst Du den Showdown des nördlichsten Polizeipostens Rügbull und des Malers Max Ludwig Nanson auch mit anderen Augen. Vielleicht sogar mit etwas weniger Begeisterung als beim ersten Mal. Hoffentlich nicht das Alter? Abgestumpft? Oder eben schon bekannt und nichts Neues mehr gefunden. Bleibt immer noch die Landschaft und die Farben.

Siegfried Lenz: Deutschstunde (Bd.28 SZ-Bibliothek)

Sonntag, 1. Juli 2018

Dieses Histörchen hat es nicht geschafft herüber

Heute gilt, je mehr desto. Je mehr man hat, desto (vermeintlich) glücklicher ist man. Wie sonst könnte erklärt werden, dass so viele Leute so viel überflüssigen Kram kaufen. Der unstete Lebenswandel ist völlig out geworden. Keiner hält mehr an und nimmt einen Anhalter mit. Wer keine Adresse hat, den gibt es quasi nicht. Wie sollen wir die Geschichte von Danny und seinen Freunden nach diesen Maßstäben verstehen können. Sicher, die Gallonen von Torellis Provenienz sind stets im Spiel. Ein Dach über den Kopf ist Luxus, und der Besitz macht sogar Unruhe, sodass sich Danny bei Zeiten verflüchtigt. Glücklicher ohne als mit Besitz. Wo findet man so etwas heute noch. Nirgends. Alle, die das vorgeben, sind als Heuchler abzutun. Geist über Materie? Freund, das ist das einundzwanzigste Jahrhundert!

John Steinbeck: Tortilla Flat.
Sz-Bibl. Bd.40

Montag, 4. Juni 2018

Leider, aber die Rolling Stones siegen am Ende immer

Das ist jetzt einmal eine grundlegende Frage. Wenn man einen großen, bunten Strauß an Problemen hat mit der Tendenz, dass sie noch mehr werden: ist es dann eine gute Idee, sich noch weitere Schwierigkeiten aufzuhalsen, quasi die berühmte Flucht nach vorne? Danach könnte man Ewan Morrisons Geschichte von David und Alice befragen. Oder sagt man, wie heißt es so schön "auch schon wurscht", und geht aufs Ganze. Ist die Sachlage wirklich so, dass heutzutage aufgrund der allgemeinen Abstumpfung nur mehr Extremes bewegt? Wann hat eigentlich die Mode mit den 50 shades begonnen? Hier in Erinnerung bleibt sicher der stärkste Moment, die Rolling Stones, Paint it Black, Tschack-a-tschack-a. Das ist wirklich gut!

Ewan Morrison: Swinger

Montag, 30. April 2018

Pasticcio zusammenhanglos

Fay Weldon hat hier eine nette Idee literarisch umgesetzt. Und es gibt dabei stellenweise wirkliche Glanzlichter. Aber insgesamt sind die Geschichten etwas zu skurril, schlagen etwas über die Strenge. Wie weit muss man vom vorstellbaren abweichen, und wie weit darf man. Außerdem ist das Pasticcio an Textsorten auch zu unterschiedlich, womit all das konstruiert wirkt (dass es konstruiert ist, ist alleine noch nichts Schlechtes). Der Kitt, der die Sammlung an Kurzgeschichten zusammenhält, erfüllt seine Funktion. Aber nicht mehr. Ich lerne die Figuren in den Einzeldarstellungen zu wenig kennen, kann nicht recht in die Story reinkippen. Und der Bezug zueinander ist zu schwach. Der gemeinsame Nenner "Frauengeschichten" ist für diese Art der Umsetzung zu vielgestaltig und bindet zu wenig im Konkreten. Die Ideen wäre aber ausbaufähig.

Fay Weldon: Spa Geflüster.

Donnerstag, 5. April 2018

Das 18. Jahrhundert, so sittsam unkorrekt

Ich finde ja die Entstehungsgeschichte schon mal bemerkenswert. Dem Herrn Cleland geht irgendwann die Kohle aus, und er überlegt sich, wie er diesem Umstand begegnen kann. Sex Sells dürfte auch schon im 18. Jahrhundert gegolten haben, also hat er einfach Die Memoiren der Fanny geschrieben - und dann: zuerst hat ihm der Verleger nicht viel abgegeben. Aber die Öffentlichkeit wollte vor weiteren dieser Werke verschont bleiben und so wurde er (monetär) ruhig gestellt.
Das Werk selbst besticht durch seine Sprache: ständig wird zum Angriff gerufen. Ist das anfangs noch amüsant, braucht sich der Effekt ab, genauso wie die Defloration, die Cleland so wichtig gewesen scheint, dass er sie mit den Kolleginnen von Fanny vervierfacht. Insgesamt natürlich eine Sichtweise der Männer und naiv dieselbe. Oder war die Welt damals nicht komplizierter? Und dann ist das ganze aus heutiger Sicht so wundervoll politisch inkorrekt, vom Alter der Beteiligten, oder auch dem Verkauf der Unschuld, oder auch die Szene mit dem geistig Retardierten. Und die große Parallele zu de Sade: am Ende die Läuterung und die Umkehr zur völligen Tugend.

Montag, 26. März 2018

Fraglos ein Klassiker

Es ist keineswegs verwunderlich, dass dieser Roman zur Weltliteratur gezählt wird. Eine Abenteuergeschichte, verwegene Helden, Liebesdramen, Machtspiele, Humor - hier ist alles enthalten. Die Erzählweise gerät nie ins Stocken, mit Überflüssigem wird sich nicht lange aufgehalten. Auch die teilweise Ambivalenz der Charaktäre macht die Story aus. Wer ist schon wirklich nur böse? Noch nicht einmal der Kardinal. Mylady? Vielleicht. Und Musketiere? Ohne Schwächen hätten sie den Namen nicht verdient. Wunderbares Genre!

Alexandre Dumas: Die drei Musketiere.

Donnerstag, 1. März 2018

Die Philosphie des Bösen

Auch wenn Justine und Julitte vielleicht eine zusammengebastelte Geschichte war, ursprünglich, so könnte die Botschaft nicht klarer sein. Maches alles entsprechend der Tugend und dem Gehört-sich richtig, scheitere nie an deinen hehren Prinzipien, dann ist der Weg in den Abgrund vorbestimmg und geebnet. Und sogar die Vorsehung schickt dir am Ende noch lieber den Blitz als tatenlos zuzusehen, wie du es einmal gut hast. Umgekehrt, je mehr du vom rechten Weg abweichst, desto weniger kann dir geschehen. Je größer die Verbrechen, desto sicherer bist du. Warauf basiert aber De Sades Philosophie? Auf etwas nicht wegzudisktuierendem wie gleichsam leicht zu beweisenden: der Natur. Basis ist, dass die Natur vorsieht, dass sich der Stärkere den Schwächeren zu nutze macht. Und in De Sades Jahrhundert umgemünzt ist aus dem Starken der Reiche, aus dem Schwachen der Arme geworden. Heute käme noch dazu, dass der Ort der Geburt, also 1., 2., 3. Welt (bei De Sade noch als unterschiedliches Klima gesehen) entscheidend ist. Aber sonst hat sich da garnichts geändert. Und auch heute kommt einem schon sehr oft vor, als würde das Böse stets gewinnen, und je frecher und niederträchtiger jemand ist, desto weiter kommt er in jeder Hinsicht. Eine Antwort auf diese Philosophie hat man nicht wirklich parat. Das wäre ja wider die Natur!

Marquis de Sade: Gesammelte Werke (u.a. Justine und Juliette, Eugenie de Franvale, Florville und Courval, Ernestine. Eine Erzählung aus Schweden.)

Dienstag, 13. Februar 2018

Knickerbocker für Große oder große Knickerbocker

Knickerbocker für Große oder große Knickerbocker? Das war die Frage, die sich anhand der Fortsetzung von Brezinas Knickerbocker "Alte Geister ruhen unsanft" stellte. Natürlich gibt dieses Buch einmal nichts her, wenn man nicht die herkömmlichen Knickerbocker Bücher kennt. Eines, zwei oder zwanzig oder noch mehr, damit man die Charaktäre wirklich gut kennt. Denn nur so macht es Sinn zu erfahren, was aus den Vier geworden ist.

Die gestellte Frage wird beantwortet - die Knickerbocker sind groß, sprich erwachsen, geworden, aber das Buch ist genauso gut für Knickerbockerleser gedacht. Der Stil ist immer noch derselbe geblieben, auch der Plot ist knickerbockerverdächtig, sofern man die neuen (alten) Allüren außer Acht läßt. Somit ein must read für Fans, aber für (noch) nicht Fans wären einmal ein, zwei, zwanzig Bände KB angesagt zur Vorbereitung. Ob die 4immer Serie auch 50, 60 oder 70 Bände erreichen wird? Ich glaube nicht, Kinder mögen Kinderhelden.

Thomas Brezina: Alte Geister ruhen unsanft.

Samstag, 3. Februar 2018

Der Fehler ist das Denken

Dass man den Fehler begeht, ist nicht die Frage, sondern höchstens noch die Auswirkung, die ist spannend. Und was ist falsch und richtig? Warum können wir Menschen die Finger nicht von Dingen lassen, wenn wir wissen, dass es uns Ungemach bereitet und vielleicht nur kurzfristig Glück? Vermutlich ist es das Denken, das ganz und gar von der Sache gefangen wird. Man kann sich vielleicht ablenken, aber kaum lässt man damit locker, ist er auch schon wieder da, der Gedanke. Zum Beispiel von Jara an Arie. Ihr Leben, das sich unter einer netten Decke zum Ende ihrer zwanziger hin eingerichtet hat, ist alles andere als gesetzt und bereit. Viel zu viel hat sie schon mitgebracht und unter der Decke versteckt. Und nicht dass jetzt jemand glaubt, die alten in der Geschichte wären sich im Reinen. Die Mehrecksgeschichte umfasst die Eltern von Jara, einen einstigen Verehrer ihrer Mutter, natürlich Jara selbst und auch Joni als Bezugspunkt mit unterschiedlicher Distanz. Aber Distanz. Spontan das durchgeplante Leben über Bord werfen, alles risikieren. Wägt man da ab? Sagt man, was habe ich schon auf der Aktivseite, was ist weg? Mit 20, 30, 40, 50? Oder ist der Gedanke so stark, dass es kein Gegengewicht gibt. Eine Frage des Tempraments oder doch der Kraft des Löwen der lockt. Anfangen damit ist die Krux:

"...das Nichtwissen, wie es ist, wenn man Feuer schluckt, denn jetzt, wo ich es wußte, verspürte ich einen schrecklich faden Geschmack, weil alles, was weniger war als das, mich nicht mehr begeistern würde"

Zeruya Shalev: Liebesleben

Montag, 1. Januar 2018

Unaufgeregter Aufreger

Jetzt hat man irgendeine Vorstellung davon, wie ein Buch wohl klingen muss, in dem eine (heute vermutlich) ehemalige Prostituierte auspackt. Aber der Erzählstil in "Fucking Berlin" ist nüchtern und unaufgeregt, sodass man glauben möchte, das wäre wirklich ein Job wie jeder andere. Nicht einmal in die Szene beim "ersten Mal für Geld" hat die Autorin große Beschreibungen gelegt. So kommt man recht rasch weg von der Überlegung, wie das wohl für Frauen so sein muss und eine plätschernde Geschichte vor der Kulisse Berlins nimmt ihren Lauf, einen Ehemann und eine Affäre, das Studium und die kleineren und größeren Probleme abseits der konkreten Handlung beim Geschäft. Vielleicht sollte Sonia Jahre später ihre Sichtweise auf diese Dinge nochmal beschreiben, das wäre interessant.