Donnerstag, 26. September 2019

Ein Szenario für das bittere Ende

Ich glaube, was bei Water (Paolo Bacigalupi) so erschreckend ist, ist die Tatsache, dass Amerika als Föderation seinen Zusammenhalt verliert, dass die Grenzen zwischen Bundesstaaten das werden, was jetzt die Grenze zu Mexiko ist. Mit dem Colorado als Grenzfluss so wie jetzt vielleicht der Rio Grande. Und "Kalis", die nach Phoenix fahren, um einen drauf zu machen. Und natürlich geht es um Geld und um Bürokratie und um Rassismus bzw. Diskriminierung (Texaner, Zoner). Wir haben bekanntlich eine Klimakrise (wird nur noch von vereinzelten Unverbesserlichen geleugnet), und auch ohne Fachwissen scheint es plausibel, dass der Südwesten der USA mit seiner Wasserversorgung keine einfache Aufgabe zu bewältigen hat. Interessant ist die im Buch dargestellte Vermischung aus Gewalt (Milizen) und Juristenkram (Altverträge). Aber ganz unmöglich ist das nicht. Sieht man nach Afrika und dann Europa, dann haben wir auch Gewalt und Flucht, auf der anderen Seite Bürokratie und Verträge gleichzeitig nebeneinander. Hier würde sich Jean Ziegler erneut aufregen. Denn bevor die benachteiligten Staaten weltweit einigermaßen aufholen können, werden sie vom Klimawandel und den Kampf und Ressourcen aus der Bahn geworfen. Daher werden die Auswirkungen des Klimawandels (im Ausmaß, je nach dem, was wir jetzt noch an Maßnahmen schaffen)  mit unterschiedlichem Tempo daherkommen. Die einen erwischt es zuerst, das sind die ohne Geld und in kritischen Regionen. Die mit Geld in kritischen Regionen werden länger durchhalten. Die mit Geld in unkritischen Regionen am längsten. Aber die Fluchtbewegungen und die resultierende Wirtschaftskrise (öha, da brechen uns die Konsumenten weg, wer kauft jetzt all den zukünftigen Müll) wird früher oder später alle einholen. Eine Insel der Seligen ist dann nicht auszumachen, und wenn, quillt sie bald über.

In ein paar Tagen sind in Österreich wichtige Wahlen. Jede und jeder unter vierzig kann jetzt seine eigene Zukunft mitbestimmen, und zwar mehr denn je. Wieviel Klimawandel darf es sein, Gnä Herr, Gnä Frau?

Paolo Bacigalupi: Water

Mittwoch, 18. September 2019

Der Kommissär hat´s schwer

Also einige Autor_Innen und Drehbuchschreiber_Innen gehen ja hart mit ihren Kommissaren um. Harry Hole muss bei Nesbo aber schon besonders viel leiden. Das Buch ist jetzt auch schon wieder fast 15 Jahre alt, und irgendwie merkt man das. Diese Art von Stories wurden deutlich weitergetrieben, übertrieben, heute muss es schon allerärgst und allerlokalkolirisiert hergehen, dass noch ein abgebrühter Krimileser hinter dem Ofen hervorkommt. Nesbo hat natürlich Lokalkolirit in Norwegen, obwohl mir beispielsweise die Beschreibung einer anderen skandinavischen Hauptstadt in Fräulein Smillas Gespür für Schnee weit besser gefallen hat.

Jo Nesbo: Das fünfte Zeichen.

Die Krezn kommt durch

Wortgewaltig kommt er jedenfalls daher, der Grass. Und auch lyrische Einflechtungen bereichern das Buch. Natürlich ist auch der Hintergrund, ausgehend von der Zwischenkriegszeit und noch dazu Danzig, geschichtsträchtig und Grass' Heimat, ein zentrales Element der Blechtrommel. Aber die Trommel selbst, die Geschichten, die sie berichtet, eine absurder als die andere, der kleine Mann im Wortsinn, der sich doch auch irgendwie durchmogelt, einen Haufen interessanter Charaktäre im Schlepptau (die aber selten so gut sind im durchmogeln und eher auf der Strecke bleiben). Grass besucht viele eigene Schauplätze, wechselt aber die Perspektive (auf 94cm, später etwas mehr). Vermutlich sind bei Erscheinen des Siebenhundertseiters die Wogen einigermaßen hochgegangen.

Günter Grass: Die Blechtrommel

Montag, 2. September 2019

Kreist um die Zone, weiß aber nicht, was es will

Da brauche ich garnicht erst nachzusehen. Wer so ein "Sachbuch" schreibt, ist Journalist, ist Journalistin. Offenbar können diese Leute ihren "flotten Schreibstil" nicht ablegen, den es bedarf, im täglichen Kampf um Aufmerksamkeit für sich zu entscheiden, bei einem Buch, wo die Leserin sagt, ja, das lese ich jetzt und höchsten abbricht, wenn es ganz schlecht ist. Man muss bei den vielen geflügelten Worten aufpassen, dass einem das Buch nicht davonfliegt. Die Komposition der Themen, so mancher unnatürliche Übergang, erzeugen ein Fragezeichen: ist das jetzt Lifestyle, Humor oder doch ernste Medizin? Bitte nicht alles zusammen, das kommt nicht. Daneben finde ich übrigens Seite 91 den Begriff "Nullbock-Pisa-Versager-Generation". Mir ist schon klar, dass die Zielgruppe trotz des grellen Covers durchaus die "erwachten Zornröschen" sind, aber sowas geht trotzdem nicht. Nur weil die Pisa-Tests erst Anfang der 2000er Jahre aufgekommen sind, heißt das noch nicht, dass alle, die davor im Schulsystem waren, so viel besser abgeschnitten hätten. Bitte kein Pauschalurteil über die Jugend.

Maria Fangerau: Intimzone.