Samstag, 27. Juni 2015

Vorsicht bei der Zuchtwahl

Wir lernen bei Herrn Hengstschläger in "Die Macht der Gene" auf vergnügliche Art und mit manchem Augenzwinkern die Bedeutung der Gene kennen. Mir hat das Bild mit den zwei Fischteichen gefallen, aus denen ein neuer Mensch seine Gene bezieht, entweder von Vater oder Mutter setzt sich eine Variante durch. (Hinzu kommen noch zufällige Mutationen, die lassen wir hier mal außen vor.) Wie die Zusammenstellung der Fische erfolgt, darauf hat man freilich keinerlei Einfluß.
Wir können uns nicht im Detail über die Kriterien auslassen, nach denen man heutzutage seinen Partner, seiner Partnerin auswählt. Vor allem: zu Beginn denkt man (zumindest bewußt) nicht an Gene. Neben dem "attraktiv" und "sympathisch finden" gibt es noch Kriterien wie Geld, Status, Intelligenz, Mitgliedschaft in einem bestimmten Verein, ein bestimmter Wohnort und natürlich den Zufall. Aber was heißt das schon? Man macht, außer man ist sehr unvorsichtig (oder haltlos gamsig) doch nicht gleich ein Kind! Jedoch: Kommt Zeit kommt Kinderwunsch.  Und dann wird´s interessant mit den Genen. Nehmen wir an, man ist unbescheiden wie die meisten heutzutage, und man findet an sich bzw. in seiner Verwandtschaft positive Eigenschaften, die man dem Kind gerne vermachen möchte. Die Eigenschaften des Partners bzw. dessen Verwandtschaft gefallen uns da schon viel, viel weniger. Jetzt kommt der Fischteich. Das Risiko, daß das Kind kein eigener Klon wird und mehr oder weniger explizit die Eigenschaften der Sippschaft der Partnerin hat, ist hoch. Gerade wenn dann auch noch ein, höchstens zwei Kinder die vorgegebene Norm sind, kann das voll daneben gehen (bei mehr steigen die Chancen durch Erhöhung der Varianten). Und weil man bei der Auswahl des Partners auf Eigenschaften geachtet hat, die erst erworben wurden (Umwelt), etwa der Wohnort oder die Mitgliedschaft im Verein XY, bekommt man genetisch die Rechnung serviert. Übrigens: auch ein junges Haserl, das dämlich ist und einen dämlichen Blick hat, aber durch seine Jugend einen momentan vergleichsweise höheren Anwert (vgl. Anwerttheorie) hat, kann genetisch trotzdem lau sein. Deshalb: Obacht bei der Zuchtwahl!

Markus Hengstschläger: Die Macht der Gene.

Freitag, 5. Juni 2015

Frau Seidenmann und ihr Polen

Einer könnte gewiß sagen, die Süddeutsche Bibliothek hat schon nicht wenige Bücher in sich, die den Zweiten Weltkrieg betreffen. Aber das eine: dieses Ereignis war auch zentral und prägend für das zwanzigste Jahrhundert. Und das andere: es gibt mannigfaltige Perspektiven und Verarbeitungsmöglichkeiten, von denen da Gebrauch gemacht wurde. In "Die schöne Frau Seidenmann" wird eines der meist gelittenen Länder ins Blickfeld gerückt, Polen. Aber der Ton ist nicht anklagend. Es sind Schicksale dieser Zeit, Menschen die handeln, wie sie meinen handeln zu müssen. Zwei Aspekte, die mir noch aufgefallen sind: die Breite der Charaktäre geht von Frau Seidenmann aus, nimmt aber letztlich auch Stuckler mit, den Leiter der Deutschen Polizei in Warschau. Und zum zweiten der Blick über den Tellerrand, wie geht die Geschichte weiter, was ist aus ihnen geworden? Sogar die Palästinenserfrage wird gestreift, die "ewige Nachahmung". Polen, Warschau, das Ghetto, der Glaube, die Besatzung, die Ernüchterung danach: ein Polnisches Panoptikum.

Andrzej Szczypiorski: Die schöne Frau Seidenmann. 
SZ-Bibliothek Band 41.