Montag, 6. Februar 2017

So eitel, daß er schon wieder gut ist

Es fällt mir schwer zu entscheiden, was nun das mehr Herausragende und Gegenwärtige an Thackerays "Jahrmarkt der Eitelkeiten" ist: sind es all die Vorzüge des Gesellschaft des neunzehnten Jahrhunderts, die wir heute auch noch so genießen, wie Neid, Habsucht, Mißgunst, Eifersucht, Niedertracht, Thyrannerei, Herrschucht, Geltungssucht, Übervorteilung, Rachsucht, Hochstapelei sowieso, Ende nie. Oder sind es die fein ziselierte Charaktäre, die mir gerade wegen ihrer Ambivalenz zusprechen. Wie sooft wird es beides sein, Gefühle und deren Träger. Eine zeitlang dachte ich, Becky würde ihre gerechte Strafe ereilen, ein Lehrstück quasi. Aber man weiß erstens, daß solche Personen immer irgendwie durchkommen, und zweitens erwirbt sich Becky nicht wenige Sympathien, vermutlich auch schon zum Teil zu Thackerays Zeiten. Sie spielt eben das Spiel der oberen Zehntausend so gut, daß die Tatsache, daß sie Abstammens her nicht dazughört, nicht mehr weiter auffällt. Auch Amy ist ein perfekt geformter imperfekter Charakter, und Dobbin! Die Welt ist voll mit Dobbins. Daß er sie am Schluß allerdings kriegt, mutet schon sehr fiktional an. In echt bleiben die Gelackmeierten die Gelackmeierten. Jetzt muß ich mich fragen: wer ist der Thackeray des 21. Jahrhunderts? Sagt es mir, und her mit seinen oder ihren Büchern!

William Thackeray: Der Jahrmarkt der Eitelkeiten.

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