Montag, 14. September 2020

Ein Strudel aus Gedankenmaterial

 Nimm eine Location, sagen wir Südafrika. Nimm eine längere Zeitspanne, sagen wir Post-WW2 bis in die späteren 1990er Jahre. Nimm wesentliche Veränderung, sagen wir die Abschaffung der Apartheid. Und davor entwickle das Leben einer Person, eines Paares, zweier Paare, Familien, einer Gesellschaft. Das ist ein Kochrezept für Geschichten. Aber wirklich gut machen Details und nachdenkwürdige Fundorte ein Buch. Das kann dann wieder überall liegen, zum Beispiel in der Veränderung, die dann bedingt, dass Exilanten zurückkehren dürfen, dass Revolutionäre plötzlich keinen Job (als Revolutionär) mehr haben. Dass man aus diesen "Schwertern" wieder Pflugscharen macht. Daneben tritt dann an Stelle der Apartheid der Geldrassismus. Hast Du Geld, bist Du dabei. Hast Du keines, geht´s Dir weiterhin schlecht. Ich glaube sogar zu erkennen, dass im Heute des 21.Jahrhunderts sich der Geldrassismus vollständig durchgesetzt hat. Viel fairer ist das auch nicht, leider, und der Ort der Geburt und das Vermögen der Eltern sind so relevant wie früher die Hautfarbe. Andererseits kann man in Nadine Gorimers Buch (Niemand der mit mir geht) auch finden, was es für die bisher privilegierte Seite (sprich Weiße) heißt, wenn sie zu einem gewissen Grad abschichten müssen. Abschichten ist ja ein sehr gegenwärtiges Thema, finde ich. Wäre schon der Klimawandel und globale Gerechtigkeit genug Grund zum Abschichten, setzt Corona noch eins drauf. Später wird man es wissen, jetzt fragt man sich: wann wurde oder wird der Zenith eigentlich überschritten? Sind wir schon in der Abwärtsbewegung, der unfreiwilligen Abschichtung. Freiwillig zum Wohle des Planenten und dessen Inhabitanten wäre besser gewesen. Und jetzt der Bogen zu den Einzelpersonen: Jede und jeder hat auch noch ein ganz persönliches Innen- und Außenleben, das auch noch in Veränderung ist. Etwa dass die Ehemänner (Ben, Didymus) letztlich hinter ihren Frauen zurückstehen und das der Beziehung aber nicht gut tut. Oder ist es viel mehr, dass etwa so etwas wie: "Ben selbst hatte das, was sie zusammen mit seiner Sexualität zu ihm gezogen hatte, seine künstlerische Befähigung, seine Bildhauerei, so leicht aufgegeben" bzw. "Weil ich nicht mit jemanden leben kann, der nicht ohne mich leben kann. (…) Wenn jemand einem soviel Macht über sich gibt, macht er einen zum Tyrannen". Ist das jetzt eine Gretchenfrage: soll man sich für den anderen gar nicht/teilweise/völlig* aufgeben (nicht zutreffendes streichen). Vermutlich sind die Pole nicht zu günstig, wobei ersteres klarer scheint, aber zweiteres unvermeidlicher.

Wie man hier sieht, kann man sich in Büchern dieses Zuschnitts in Gedanken verlieren, die sich wie ein endloser Strudel fortsetzen, mal da, mal dort hin hüpfen.

Nadine Gordimer: Niemand der mit mir geht.

Sz-Bibl.Bd.60

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