Mittwoch, 1. Juli 2009

Liebeserklärung

Vorsicht rate ich jeher an, sparsam sei man mit Liebeserklärungen, zu groß die Gefahr, sie willkürlich, sie inflationär und damit völlig wert- und bedeutungslos einzusetzen. Das Wort verkommt zu dem, was eine waldviertler Band in einem Blues "Love is a 4-letter word" überschrieb. Vermessen auch von mir, "Liebeserklärung" als Tag (Label, Keyword) einzusetzen. Aber Unbelehrbarkeit gehört zu den Eigenschaften des Durschnittlichen, des Average (früher zielte ich ab, keine Eigenschaften haben zu wollen, aber dazu fehlt es an Größe). Nun zu meiner Liebeserklärung, die gilt, erraten: einem Radiosender.
Völlig verrückt, nicht? Zuerst predigen (Wasser), sparsam sei man, bla bla, dann (Wein) urassen. Aber Sie tut mir unrecht, die werte Leserschaft so denkend, denn obhinschon ich wohl andere Radiosender mit Worten einer Jugend belegte, die heute auch nicht mehr gerade jung ist, "cool", "extracool", "...cool" (den Rest erspare ich Ihnen), so bedarf es schon des Besonderen, um mir eine Liebeserklärung abzuringen. Wann haben wir uns kennengelernt? Genau weiß ich es nicht mehr. Es ist ja so, daß der Herr Vatern im Hause Average (wobei: nehmen Sie below Average an) an der UKW-Empfangseinrichtung, welche eine breite Skala hatte mit verschiedenen Frequenzbändern und klingenden Städtenamen drauf, auf ebendieser Skala winzige Papierschnippsel, akribisch ausgeschnitten und mit einer leicht zittrigen, für die damals noch geringere Anzahl an Jahren, langsamen und doch verwackelten Schrift versehen, anbrachte, mit einem Stricherl neben dem Kürzel, zu dem hin man möglichst genau die Mitte der roten Visiereinrichtung per Fingerrad bewegen mußte. Und die Einträge waren: "S", "N", "B" und "1". Je nach Wochentag und Tageszeit wurde gewechselt, wobei anzumerken ist, daß "B" hier eindeutig bevorzugt war, "B" auch am wenigsten rauschte in jenen Tälern, wo außer Radio und Fernsehempfang nur die wenigen Blätter jener wenigen Laubbäume inmitten haushoher Tannen, Fichten und anderem Nadelgehölz rauschten. (Hie und da rauschte ein Auto durch, die meisten bewegten sich ob der unbefestigten Straße aber gemächlich fort.) Der Sender, dem die heutige Liebeserklärung gilt, war wohl dabei, wurde aber praktisch nie gehört, wenngleich sich im Hause Below Average eine bürgerliche Kultur (mit dem Gestus, nichts wissend, nichts verstehen suchend, aber Überlegenheit gegenüber den Peers fühlend, konsumiert) eingeschlichen hatte, die aber sukzessive durch zunehmende Satellitenbilderbombardements aus deutschen Landen oder schlecht synchronisierte US Bilderbomben verdrängt wurde und in einigen Verdiopern ihr Sediment fand. Viele Jahre später. Nein: noch mehr. Ich hörte also, sitzend auf einem harten Klappstuhl in einem maßlos überfüllten - von Menschen, von Langeweile, von Handystrahlung - Saal einen bärtigen, sehr symphatischen mittelalten Herrn sagen, man könne doch froh sein, daß es Ö3 gibt, denn damit werde er querfinanziert. Ob wir ihn denn eh regelmäßig hören, diesen Sender. Der erste Gedanke war, wer kann sowas schon hören den ganzen Tag lang? Aber die Neugierde geweckt, stellte ich also bei meinem Digitaltuner 92,0MHz ein, hörte auf zu hören und begann hinzuhören. Anfangs Nachrichten und Journale auf einem Niveau, das mMn unerreicht ist, jedenfalls in diesem Lande. Das war Achtung, Ehrfurcht, Interesse - aber Liebe? Wieder einige Jahre später bin ich ihm dann anheimgefallen, völlig, habe mich quasi aufgegeben und beziehe viel Kraft daraus. Höre ihn ganzen Tag, genieße die Musik und ganz besonders die gelehrigen, funderiten und begeistert vorgetragenen Kommentare und Erklärungen. Kultur wird hier genauso ernst genommen, wie politisches Geschen, die Kreditkrise und wasweißichnoch. Letztens war ich, falls die geneigte Leserschaft des Blogs noch kurz Zeit fände weiterzulesen, in einem Einkaufszentrum mittlerer Ausdehnung. Ich mach es kurz: mich ekelt so ziemlich alles dort an. Die Leute, das Angebot an Ramsch, die Kaufhausmusik, der Geräuschpegel, ja okay, lernen kann man noch was, quasi mit dem Getue des Forschers, der in ein unbekanntes Terrain vordringt. Dunstig, schwül, war es auch noch, und wie immer war ich in Eile, spürte den Ärger stärker aufkeimen über die Zeitverschwendung, schon im dritten Geschäft nicht fündig zu werden, klemmte mich wieder hinters Lenkrad und dann Miriam Jessa über ein Mazedonisches Gesangsstück, dessen Text solch gar arge Pein ausdrückt: "Soll ich´s ihnen trotzdem vorlesen. Ja, sie werden´s schon ertragen,..." Mit einem Mal ist all der Ärger weg. Oder "Abenteuer Interpretation" - unerreicht. Oder auch die Radiogeschichten. Oder die Frühmusik, quasi Populäres zum Aufwachen, trotzdem nicht ohne Anspruch. Ich gestehe im Wissen um die möglichen Konsequenzen: ich bin verliebt in Radio Ö1.

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