Dienstag, 8. Dezember 2009

No worse case

[die]
Was er damit jetzt meine, wenn er sage, er ergötze sich gerade noch daran, an einem Theaterstück wie Worst Case (nach einem Text von Katrin Röggla im Schauspielhaus Wien). Das sei ja kein G´spaß. Die Katastrophe ist unausweichlich, und wenn sie meinten, alles unter Kontrolle zu haben in ihrem Controlroom, über den Dingen befänden sie sich. Aber wer sei das schon? Ich käme nie selbst zu Wort, immer die anderen sind es, sie leihen mir ihre Stimme, nein, sie drängen sie mir auf, erst noch nicht klar für das Publikum, dann aber sehr wohl.

- Ob das Publikum denn noch immer nicht kapiere, daß es sich hier um keine Übung handle! Der Ernstfall sei das hier. Sie im Kontrollturm, im Elfenbeinturm, in dem sie sich sicher wähnen, sie getrauen sich nicht zu blinzeln, als könnten sie verpassen, wie die Siebenviersieben über dem Meer zerschelle. Sie meine, ein Notlandung über der zerklüfteten Wüste von Nevada: das sei ausgeschlossen. Und dann die Hinterbliebenen!

- Ob das Publikum schön langsam kapiere, daß es sich hier nur um eine Übung handelt, nur sie nicht. Sie nicht! In ihrem Turm, warum es ihnen niemand sage? Der Worst Case ist kein Worst Case, keine Katastrophe. Und der Kaffee schmecke auch ekelhaft.

[er]
Wenn man ihn frage, was ihn am meisten fasziniere? Er müsse jetzt schon festgehalten wissen, er habe vorher nur "Wir schlafen nicht" gekannt, und das nur als Buchverfassung. Und von der Bühnentauglichkeit, mit welcher Kraft das hier rüber komme, irgendwo vierte Reihe und in Begleitung, das sei schon unerhört. Am meisten weg (und doch voll da), hin und weg, war er beim Monolog der Kassandrasekräterin. Überlegend, ob das alles gelernt sei oder doch improvisiert (Entscheidung pro ersterem) deuchte es ihn, mein Lieber, sagte er sich, das ist längst Zeitkunst, das ist Rhythmus, das ist Musik, da könne er sich Vortragszeichen vorstellen.
Daß er den Rahmen der Rahmen der vier Bilder nicht völlig überzuckert hatte, das sei er schon gewohnt. Er könne auch damit leben, einfach nur Eindrücke aufzusammeln und sich sein Bild zu bilden. Aber das vorletzte Bild, das habe es auch noch einmal können. Zeitfenster für Intensivbeschäftigung mit Kindern freihalten. (Er wolle nun noch anbringen, so gut das gemacht sei, die Realität heute sei immer noch verrückter! Aber wer halte die Realität schon aus?)

- Er bewundere das Gespür Frau Rögglas, aus dem Wulst an Stoff, aus Interviews und dem ewigen Rauschen im Blätterwalde (inkludiert auch flimmernde Katastropheninszinierungen) aus dem Destillat noch das wirklich Intensive extrahiert zu haben. Das müsse ihr einmal jemand nachmachen.

- Dabei wäre er gerne im Nachhinein bei der Autorenfragerunde aufgestanden und hätte gefragt: "Frau Röggla, wie machen sie das?" Arbeite sie systematisch, gehe sie das Material immer und immer durch, feile sie an jedem Satz, Wort, Buchstaben bis zur Perfektion, arbeite sie langatmig. Oder inhaliere sie all das Material, lasse es gut setzen, rauche nachmittas ein paar Zigaretten (rauchen Sie?) und trinke Kaffee. Und mit einem Mal komme es aus ihr raus, sie komme nicht mit Schreiben nach und könne auch nichts mehr nachbessern. Es sei einfach da. Das würde ihn jetzt schon interessieren.

Und eigentlich würde er auch gerne wissen, ob ihm die Röggla sein Gutmenschkonzept in so ein Stück umsetzen würde? Wie das dann ausehen würde? Ob und wo sie Gutmenschen aufzuspüren gedächte, die bereitwillig Auskunft geben. Frau Röggla, mache sie ihm ein Gutmenschstück. Bitte.

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