Samstag, 22. August 2009

Barcelona Vollgas

Habe mir also den Film "Vicky Christina Barcelona" angesehen und dabei folgende Meinung gewonnen..
Bei dem Streifen (von dem ich ausgehe, werter Leser, geneigte Leserin, daß Sie ihn kennen) wird ein spannender Themenkomplex abgehandelt, reizvoll, wenngleich ich die (fast) Gleichgewichtung von Vicky und Christina zu zwei Prima Donne nicht ganz gelungen finde. Aber jetzt kommt der Haken an der Sache: der Plot mußte hollywoodtauglich gemacht werden, d.h. in 1 1/2 Stunden gepresst, wofür selbst ein sich sehr kurzfassender Autor vermutlich 300 Seiten Papier beschriften würde, Proust sicher im vierstelligen Bereich. Aus diesem Korestt resultiert ein atemberaubendes Tempo, wo ich zwischendurch mal Pause schalten mußte, um nicht aufs Atmen zu vergessen. Um überhaups den Ansatz einer Chance zu haben, das alles unterzubringen, griff man massig auf Klischees zurück, was Charaktäre betrifft, Orte, Gefühle, Künsltertum, Essen, Trinken - alles quasi. Dadurch hatten die Charaktäre keinen Funken einer Gelegenheit, dieser Verkürzung auf Abziehbilder, auf Copy-and-Paste Schausteller zu entkommen. Und der Erzähler ist ja der offensichtliche Beweis dafür, daß man einen "flotte" Handlung angestrebt hat.
Hätte man etwa den "Christina"-Teil deutlich verkürzt und sich für Vicky als Prima Donna (Prima Uomo ist eh klar) entschieden, wären die Chancen schon gestiegen. Aber vermutlich hätte sich der Film dann nicht so gut verkauft; obwohl: auch beim Genre hat man sich nicht entscheiden können. Ist das lustig? Traurig? Dramatisch? Lieblich? Alles zusammen?
Von meinen Lieblingsklischees ist da einmal die Tapete. Spanien, "guter" Wein, "gutes" Essen, Gaudi, Gitarrenmusik (welche auf magische Weise Vicky bewegt, was immer das dann heißt), und dann muß alles "klein" sein: ein kleines Restaurant, noch eines, eine kleine Konditorei. Warum nicht eine große? Warum nicht Gerbeaud in Budapest*, eine große Konditorei in jeder Hinsicht und eine, die mich stolz machte, das Österreich und Ungarn einmal eins waren. Warum muß die Handlung überhaups in Spanien spielen? Ach so, wegen der heißblütigkeit selbiger Bewohner des Subkontinents, besonders natürlich von spanischen Künstlern. Warum nicht in, sagen wir, Westsibirien?
Dann kommen die Personen: der Künslter. "Außergewöhnlich" schon in der Anmache (ich krieg Euch beide Hasen), so spontan, fliegen wir gach wohin, mit langweiligen, abgegriffenen Komplimenten "Du hast so einen schönen Mund", "Welche Farben haben Deine Augen"... wenn es kein hollywoodtauglicher Film wäre, hätte er wahrscheinlich gesagt "Welch schöne Titten Du hast.", dann seine Hingabe für die Kunst, wegen einer Skulptur bis ans Ende der Welt, so kosmopolitisch. Und das farbbekleckte T-Shirt, das alte Fahrrad. Und geistreiche Sager: "analysieren sie immer jede spontane Inspiration bis jedes Fünkchen Anmut erloschen ist" *Schmelzdahin* Für Künstler gilt erstaunlicherweise, daß sie weich sind, quasi über Männineneigenschaften verfügen, emotional sind, und trotzdem als irr-männlich gelten. Seltsam. Ist aber so.
Dann Vicky: kritisch zu Beginn, dann hin-und-her gerissen, auch mit einer Ader für das offensichtlich ökonomisch Sinnlose, aber doch eher ein mäßig spannender Charakter (man hätte all die Zweifel besser und intensiver rausarbeiten müssen, wie das auch immer gehen soll, jedenfalls nicht durch einen Nebencharakter namens Ben aus dem Kurs, der ihr sagt, die Hochzeit sei vermutlich überstürzt gewesen. Auch die Gastgeberin (Judy, wenn ich nicht irre), ihre Eheprobleme und Versuchungen geben wenig her).
Dagegen finde ich Doug gelungen, fast schon überzeichnet dieses Klischee des langweiligen, aber stabilen Mannes: bodenständig, ernsthaft, unromantisch, "Schablonenmann", spielt Golf und Bridge, ist immer im Business, liebt sein elektronisches Spielzeug, den Flachbildfernseher und schafft es sogar dann im Abglanz des Künstlers fad zu sein, wenn er mit der Hochzeit in Spanien (deren Hauptzweck es ist, den Kindern später davon erzählen zu können) spontan sein möchte, völlig ohne jeden Tiefgang eben, Geschäftsfreunde sind schon vor der Ehe wichtiger als die Freundin. Und um das alles noch zu unterstreichen, findet er auch noch die Dreierbeziehung Christina-Künstler-MariaElena ekelhaft.
Auch mit Christina konnte ich nicht sehr viel anfangen. Leicht zu haben, offen, zugleich unschlüssig in jeder Hinsicht, dann die Freundschaft mir MariaElena, das Photographieren. Wirr irgendwie. (Dagegen ist MariaElena schon besser gelungen, sie ist einfach durchgeknallt. Punktum). Der Held des Stückes ist sowieso Künstlers Vatern: um die Leute zu ärgern, behält er seine Gedichte für sich, alleine deswegen, weil die Leute nach tausenden Jahren von Zivlisation nicht gelernt haben zu lieben.
Der Film erinnert mich ein wenig an so ein Kippbild, das, je nachdem, von welcher Seite man hinsieht, etwas anderes zeigt. Da ich als einfacher Mensch mit zwei Prima Donne nicht umgehen kann, habe ich die Blickrichtung "Vicky als Hauptperson" ausgesucht. Damit ergeben sich zwei handlungstechnische Höhepunkte, namentlich "Versuchung I" und "Versuchung II". Die Frage für Versuchung I ist, an welchem Punkt die Beste verloren war und der Künstler bekommen hat, was er wollte. Vermutlich der Besuch bei Vatern hat Eindruck hinterlassen, starke Emotionen (btw. ichselbst könnte über diese Schiene im Leben nie etwas gewinnen, aber lassen wir das;) . Dann noch etwas zu viel Wein, die Gitarren und dann: plötzlich im Park wird sie schwach. Und hier äußert sich auch eine weitere große Schwäche des hollywoodtauglichen Films: Liebesszenen sind so abstoßend, so langweilig, so schablonenhaft, daß man fast schon dazu neigte, es gut zu finden, wenn die Liebesszene mit einem Kuß angedeutet wird - Cut, so wie in diesem Film. Aber andererseits erhält das Pantscherl dann im Kopf der Zuseher kein Gewicht, lebt doch schließlich ein Film von Bildern. (Mich stört diese Heuchelei schon sehr lange, daß im US Standardfilm eher einer Frau die Brust mit einer Kettensäge zerstückelt wird, als man sie nackt zeigte oder gar sie zart berühren ließe. Angst vor Liebe, kompensiert durch Gewalt. Eigenartig, ist aber so.)
Auf das Pantscherl folgt schlechtes Gewissen, Unaufrichtigkeit und ein Treffen von Vicky, Doug, Christina und dem Künstler, wo aber, statt das man die Spannung hier ordentlich angeheizt hätte, die rasante Handlung durch eine billige Fußelei weitergetrieben wird. Es geht in Richtung "Versuchung II", die Geliebte eines aufregenden Mannes zu sein, oder doch Haus kaufen, Innenarchitekt beschäftigen, alle Probleme um den Nutzen der Magisterarbeit lösen sich, "wenn er sie erst geschwängert hat", und so weiter. Immerhin ließ sie sich küssen, bevor die Durchgeknallte mit der Pistole um sich knallt. (Um nicht als Drama zu enden, mußte in dieser Szene niemand sterben).
Trotzdem muß abschließend gesagt werden, daß in dem Film eine Menge Dinge verpackt sind, über die man durchaus nachdenken könnte. Etwa Gefühle versus Gedanken, in Richtung eines meiner Lieblingsthemen, eros versus ratio. Oder dieser Sager: "Wenn Juan-Antonio nie existiert hätte, dann wäre ich jetzt zufrieden. Wie ich es geplant hatte". Das ist interessant, das Entwerfen von was-wäre-wenn-nicht Szenarien; man ist heutzutage mehr denn je ständig vor Entscheidungen gestellt, vor Weggabelungen des Lebens, wo man diesen oder jenen Weg nimmt und die Alternative aber nie restlos einschätzen wird können (hätte ich etwa etwas Brauchbares studiert, dann hätten sie mich bei ... nie rausgeschmissen, ich hätte nie bei ... gearbeitet und in diesen Film nie gesehen ;) Ebenfalls nicht rauskommt, daß nach einer aufregenden Nacht, aus der mehr wird, die Liebenden von der Realtiät eingeholt werden und das Leben mit dem Künstler auch nicht nur Sonne & Leidenschaft, Inspiration und kleine Restaurants bietet. Aber mit meinem allerliebsten Thema möchte ich diese wirre Sammlung von Ideen beenden: wirklich romantisch ist nur unglückliche, versagte Liebe, nur sie ist tatsächlich ispirierend.

Wie hat die der Film Empfehlung mitgegebene Zeile gelautet: der Film sei etwas oberflächlich, aber garnicht so schlecht. Dem kann ich zustimmen, ein Haufen von viel zu kurz abgehandelten und trotzdem spannenden Aspekten: Liebe, Leidenschaft, Versuchung, Haß, Verführung, Künstlerleben - und auch über den Einsatz von Klischess kann man noch lernen.


* okay, als jemand, der quasi noch nirgends war auf dieser Welt (und darüber nicht einmal sonderlich bestürzt ist) kenne ich natürlich keine spanischen Konditoreien, aber ob die mit Gerbeaud oder Demel mitkönnen? (Ihr wißt ja, Kaffee saufen und Mehlspeisen...)

Sonntag, 9. August 2009

Productplacement, ein alter Hut, ein sehr alter

Product Placement (unauffällig auffälliges Platzieren von Markengegenständen inMassenmedien, vorzugsweise Fernsehen und Kino) ist ja für unsere Freunde von der Marketingfront, die stets mit Rechtfertigung ihrer in den Unternehmen kämpfen, weil ja den Deal stets der Vertriebler macht, ein alter Hut. Wie alt der Hut wirklich ist, zeigt eine Uhrenmarke der gehobenen Art, die freilich vermutlich eher unabsichtlich zu wirklich coolen Plätzen für ihre Produkte gekommen ist. Und sich damit jetzt aber prahlt, weil da kann man schwer mit, heutzutage.

Hier zwei der Plätze:
"A dandy on the boulevards (...) strolling at leisure until his Breguet, ever vigilant, reminds him it is midday" (Alexander Pushkin, "Eugene Onegin", 1829)

"He drew out the most delicious thin wath that Breguet had ever made. Fancy, it is eleven o´clock, I was up early" (Honoré de Balzac, "Eugénie Grandet", 1833)

(zweiters ist ja für nach Sauf- & Aufrißnächten optimal: Ups, 11 Uhr, früh auf heute :D )