Montag, 12. August 2019

Nix mit Insel der Seligen

Vermittelt uns "Der Herr der Fliegen", dass unsere "Normalität" mit Regeln und Gesetzen für das Zusammenleben nur gilt, solange alles in einem gewohnten, netten Rahmen abläuft. Anders gefragt: rasten alle aus, wenn der Billa morgen nicht mehr aufsperrt? Gilt dann schnell wieder das Recht des Stärkeren, des Skrupelloseren? Nach Golding nicht gleich. Zu Beginn versucht man noch, kooperativ für alle etwas besseres zu erreichen. Aber wenn es nicht läuft, kommt die Unzufriedenheit, kommt die Zersplittung, kommt der Krieg. Gut erkannt hat Golding auch, dass nicht der Klügste, der Vorausdenken kann (Piggy) zum Anführer gewählt wird, sondern der Starke, Gutaussehende, dem die Problemösung zugetraut wird (ganz egal, ob er dann viel Nachdenken muss). Und die Unzufriedenen warten nur auf ihre Chance. Ich hoffe, wir ersparen uns so ein Szenario, hervorgerufen durch Folgen des Klimawandels beispielsweise. Dann kann die "Insel der Seligen" schnell zu Goldings Insel werden - und wer kommt dann am Schluss, rettet die Meute und sagt: ich hätte doch gedacht, dass eine Bande englischer Jungs in der Lage wäre, etwas besseres aufzuziehen.

William Golding: Herr der Fliegen

Luxus war schon immer anziehend (und ausziehend)

Das mag jetzt, insbesondere im Anschluss an Jean Ziegler vom vorigen Beitrag, etwas unkorrekt klingen. Aber die Welt der Reichen und Schönen, wie sie in De Moor´s "Der Virtuose" dargestellt wird, ist schon anziehend - vor allem so, wie sie gekonnt beschrieben wird. Die offenbar größte Sorge und vordringlichste Aufgabe ist der persönliche Vergnügen, die Unterhaltung, sind Fragen des Stils, sind Klatsch und Tratsch und Befindlichkeiten, ist Luxus. Dass dieser Luxus nur auf Kosten enorm vieler anderer florieren kann, ist auch klar. Sich seinem Gefühlsleben, der Musik so vollends hingeben wie Carlotta, als gäbe es nichts anderes - es macht einfach Spaß, hier als Leser dabei zu sein, so eine Saison lang in Neapel...

Margriet de Moor: Der Virtuose
(Sz-Bibl. Bd.53)