Freitag, 30. Dezember 2016

Die Doppelnull in Bild und Wort

Nach zig James Bond Filmen fand ich es rasant an der Zeit, einmal die Romanvorlage von Ian Fleming, erster Teil, erschienen 1953, Casino Royale zur Hand zu nehmen. Dann den Film drauf, den man - auf der Suche nach und in Kenntnis des Romans - mit völlig anderen Augen sieht. Man hat versucht, die Geschichte ins 21. Jahrhundert zu bringen und leinwandtauglich zu machen. Dabei ist den Drehbuchautoren doch allerhand eingefallen, zum Beispiel die Terrorfinanzierung statt der Fünften Kollone. Oder daß Le Chiffre sein Geld mit Leerverkäufen (Stichwort Finanzkrise) verloren hat, nicht mit einem Bordell. Aber ansonsten ist der Film ja völlig mit Action überladen. Und noch mehr Action. Ich habe nachgedacht, aber im Buch hat Bond (!) nicht einen einzigen umgebracht. Weil Le Chiffre von Smersh, die beiden Bulgaren selbst in die Luft gejagt, Vesper eigene Hand. Im Buch hatte man auch Zeit, Baccara zu erklären, im Film mußte Poker herhalten. Genau genommen viel zu kurz kommt die Story im Buch: das sind meistens sehr kurze Szenen, wo beispielsweise Bond mit M. spricht. Und das ist schade, weil Ian Fleming hat seine Reihe als Thriller angelegt, und da ist das Kino meilenweit weg. Nach dem Klamauk der 80er Jahre und den technischen Spielzeugen dominiert die Action und Gewalt. Etwas mehr Thriller würde dem kommenden James Bond vielleicht gut tun.

Zum Schluß der Schluß: Im Buch heißt es "3030 was a double, working for Redland. Yes, dammit, I said 'was'. The bitch is dead now." Und aus. Kein Zeichen mehr danach. Im Film wird dann von der Bemerkung kräftig zurückgerudert. Eben doch eine Nuance mehr Hülle Bond und dafür weniger Innenleben.

Dienstag, 27. Dezember 2016

Göttlich der Brenner

Jetzt natürlich Gefahr, daß ich mich mit Lob für Wolf Haas überschlage, und dann beim nächsten Mal keine Steigerung mehr möglich. Aber "Der Brenner und der Liebe Gott" ist wieder ein Werk in Haas´scher Perfektion, vollendet im Wortgebrauch, vollendet in den Gedanken. Und da wiederhole ich mich jetzt, aber die konkrete Handlung ist dann nicht mehr so zentral, wenn die Freude über Text und Schmäh, über Phrasen und Poesie überwiegt. Das ist auch praktisch für den Haas selber, weil er muß nicht sagen: oje, mir fällt keine Geschichte mehr ein. Allerdings wird der Brenner im Buch immer älter, jetzt schon über fünfzig. Aber Pensionskasse für Detektiv, oder Frühpension, ja was glaubst Du, das gibt es garnicht.

Wolf Haas: Der Brenner und der liebe Gott.

Krieg in einer nutshell

Ich weiß garnicht, ob so etwas heute noch geschrieben wird. Es erinnert ein bißchen an die Kriegsfilme und Western der 1950er Jahre. Für heutige Verhältnisse geradezu wenig Action und Gewalt, aber dafür Dialoge und Landschaft und Drama und Filmmusik wichtig. Hemingways "For whom the bell tolls" liest sich ein wenig so wie diese Filme. Aber man kippt zusehens in das Buch und die Hinführung zum Finale wird zum Zweck: der Weg ist das Ziel. Innere Monologe begleiten uns, Dialoge und Landschaft, und alles, was an einem Krieg nicht nach Plan abläuft, und das ist nicht weniger als alles, scheint es. Und wo es nach Plan läuft, stellt sich der Plan als falsch heraus. Im Kleinen - 4 Tage, eine handvoll Charaktäre - zeigt sich das Große, Feigheit, Verrat, eigene Interessen, Liebe, Angst, Selbstaufgabe und und und.

Große Literatur, keine Frage.

Ernst Hemingway: For whom the bell tolls.

Montag, 5. Dezember 2016

Alte Kurtologen

Habe ich Euch schon gebeichtet, daß ich in meiner Spätjugend ein Kurtologe war? Für die, die es nicht wissen: ein Kurtologe beschäftigt sich eingehend mit dem Wirken und Schaffen von Kurt Ostbahn und Chefpartie und dann eben Kombo. Im Zuge der Ausübung der K. habe ich selbstverständlich auch die Bücher erworben, die Ostbahnerfinder Brödl verfaßt hat. Das sind handelsübliche österreichische Krimis mit zwei Besonderheiten: erstens Wiener Dialekt und zweitens ist Kurt Ostbahn Hauptdarsteller und ich-Erzähler. Selbst wenn man das wegdividiert, bliebe noch ein durchschnittliches Werk übrig. Jetzt aber, ist es gescheit, das Buch nach zwanzig Jahren just dann wieder in die Hand zu nehmen, wenn man gerade ein Meisterwerk von Haas'schem Zuschnitt intus hat? Am Anfang wirst du sagen, schlechte Idee. Weil die Sätze wirken sperrig, sodaß Du einzelne Wörter im Geiste streichst. Weil wer braucht einen Satz wie:
"Vier Tage lang war der Wickerl dann jedenfalls nicht ansprechbar, war abwechselnd fett, drauf und drüber, und dann plötzlich, am vorletzten Wochenende, hatte er die Erleuchtung."

Wenn´s so auch geht:

"Jetzt war der Wickerl vier Tage fett, nicht ansprechbar. Dann plötzlich Erleuchtung. Ja was glaubst Du."

Die Weisheit vom Doktor ist nett, aber sie löst sich, keinesfalls vergleichbar mit der Brenner'schen, stetig in Alkohol auf. Überhaupt wird in Blutrausch gesoffen, Rauschrausch träfe es besser. Andererseits, Österreich, ist einmal so.

Die Ostbahn Bücher, von denen es auch einen Film gibt, waren eine willkommene Bereicherung für Kurtologen, die heute auch schon allesamt alt sind, dem Idol quasi ins Alter gefolgt. Mich würde nur interessieren, ob es so richtig eingefleischte Kurtologen heute überhaupt noch gibt. Und was die heutigen "Kurtologen" für ein Idol haben? Antwort erbeten!

Freitag, 2. Dezember 2016

Die klassische Brenner-Haas Stil Vollendung

Klassisch kommt von classicus, heißt mustergültig, vorbildhaft bzw. steht auch für einen vollendeten Stil, der dann nicht mehr besser werden kann. Sicher macht die Reihenfolge, in der man die Werke eines Autors liest, im Vergleich zur Entstehungsreihenfolge auch etwas aus. Weil alles nur Wahrnehmungssache. Das Ewige Leben von Wolf Haas, 2003 erschienen, ist, gleichwohl ich noch nicht alle Brenner Bücher gelesen, für mich die Vollendung von Haas´ unerreichtem Schreibstil. Die Verwendung seiner typischen wirtshaussprachlichen Elemente und Satzverkürzungen ist fein abgestimmt und präzise gearbeitet wie in einer Komposition, ja, fast schon wie in einer Syntax.
Jetzt, mit Philosophen hab ich´s nicht so. Weil warum. Ich habe einmal einen gekannt, der hat Philosophie studiert und war aber ein Spinner. Wenn er ein Wirtshausphilosoph gewesen wäre, gerne, danke. Aber auch das nicht. Und der hat mir den Begriff Philosophie gründlich und für viele Jahre verdorben. Aber beim Haas, das ist echt schon philosophisch, wenn er, um die Spannung zu erhöhen, Lebensweisheiten von sich gibt. Und wo man sonst bei einem Autor, der die Action mit überflüssigen Schilderungen über die genaue Oberflächenbeschaffenheit des Schnees hinauszieht, hudlert zu lesen beginnt, wird man beim Haas sofort eingebremst. Zu wertvoll diese Überlegungen, als sie zu überfliegen.
Und das Ende! Als hätte er´s selbst erkannt, der Ich-Erzähler, daß er jetzt die Perfektion seines Stils erreicht hat, wird er auch noch heldenhaft hinweggerafft. Aber nicht daß ihr jetzt glaubt, Erzähler tot, Brenner Bücher letzter Band. Nach sechs Jahren hat sich der Ich-Erzähler von der Reha zurückgemeldet. Und Hydn, Mozart, Beethoven haben auch nicht aufgehört, nachdem sie die Wiener Klassik stilistisch vollendet hatten. Wäre ja auch Blödsinn, wie wenn der Fliesenlegerlehrbube endlich Fliesen legen kann, soll er aufhören.