Sonntag, 30. Mai 2021

Blinded by the light

 Bevor wir über die Verzerrungen der virtuellen Welt nachdenken, könnten wir auch mal überlegen, was wir überhaupt sehen. Was das Licht macht, wenn es aus einer sonst völlig unsichtbaren Welt etwas vor unserem Auge immer neu erschafft. Das Licht blendet uns bei Rückkehr nach Dukla (jeder hat so sein eigenes Dukla, da, wo er schon zeitlang nicht war, wo alles gleich ist und doch nicht). Dieses Blenden lässt uns keine zusammenhängende Geschichte finden, sondern nur Eindrücke, gespeicherte Bilder in uns, die stärker, wenn auch nicht so klar sind, wie die gegenwärtigen.

Andrzej Stasiuk: Die Welt hinter Dukla.

SZ-Bibl. Bd.63

Donnerstag, 20. Mai 2021

Die Macht der virtuellen realen Welt

 Sagt man den Kids: lebt mehr in der Realität, weniger in der virutellen Welt - dann ist das eigentlich schon nicht mehr richtig. Den die Realität ist jenes Gemisch, jener ständige Wechsel zwischen Bildschirm und tatsächlicher Umgebung. Oftmals ist die Realität dann schon fast lächerlich. Im Fall des Präsidenten (von Marc Elsberg) sehen wir das dann. Ein Bürokrat von Richter zählt die Buchstaben des Gesestzestextes, derweil draußen, von Social Media befeuert, die Post abgeht. Einmal mehr betont Elsberg (nach Zero), wie stark die Manipulationsmöglichkeiten (etwa durch Fake news oder Deep fakes) sind, vor allem in Kombination mit der Kraft der Bilder. Und dann ist da natürlich noch das Tempo. Und das kommt dann viel schneller als ein Bumerang zurück in die Realität (wie unsere Dana rasch erkennen muss). Eigentlich erschreckend, welche Macht wir an die digitalen Kanäle abgegeben haben. Wem soll man da noch trauen, was glauben? Wer hat eigentlich die Macht? Was richten internationale, formale Einrichtungen (bei Elsberg der ICC, könnte aber auch die WHO sein) eigentlich noch aus, wenn sie sich an Regeln halten müssen, an Grenzen, während digital die Post abgeht?

Hier ist Elsberg wieder ein spannendes Buch mit aktuellen Themen gelungen. Bei seiner rasanten, unaufgeregten Erzählweise ist er geblieben: ich freue mich schon auf das nächste Buch von ihm. Vielleicht mal die Pandemie literarisch verwursten?

Sonntag, 2. Mai 2021

Durch mit dem Brenner

 Über Wolf Haas und insbesondere seine Brenner Romane habe ich hier schon viel Positives geschrieben. Nun ist mir auch der letzte noch fehlende in die Hände gefallen. In Schillingzeiten erschienen, aber immer noch wirklich gut: Silentium. Das ist Haas, das ist Brenner in Bestform. Da ist der Erzähler, das ist Brenner, mit seinen endlosen Gedankenumwegen um obskure Details, nur damit dann die Handlung in einer Zeile massiv fortschreitet, nachdem man über diese Details ausgiebig gesprochen hat. Aber interessant: Die Handlung tritt sowieso irgendwie auf ein Nebengleis, und das Nebenbei wird das Hauptdings. Du musst wissen, Krimis schreibt heute schon jeder. Aber so schön die Nebenschauplätze, da brauchen wir den Brenner. Bis zum nächsten Band schweigen wir jetzt aber: Silentium!