Montag, 27. Dezember 2010

Last night and 51 years

Nachdem ich mit "The hotel new hampshire" quasi im Zuge meiner DerStd.Bibliothek über Irving gestolpert war, war es kein langes Zögern, als ich von seiner Neuerscheinung "Last night in twisted river" hörte, diese zu ordern, und das, um den guten Mann auch selbst ohne Synchronstimme zu hören, in englischer Sprache, was die Lektüre vielleicht verlängerte, aber auch bestimmt bereicherte, denn übersetzen sie mal das Wortspiel "cook-cookie" auf Deutsch, oder "don´t get your balls crossed about this", "constipated christ". Ich muß aber sagen, daß trotz all des Lobes mir Das Hotel besser gefallen hat. Allemal bietet dieses Buch auf seinen 585 Seiten etliche spannende Fundorte. Es wird eine Geschichte über 5 Jahrzehnte erzählt, eine Geschichte von Flucht, Angst, Rückschlägen und Wegbegleitern von Dominic, Daniel und Ketchum. Mit Zeitsprüngen und Rückblenden, mit der "Aufladung" von Gegenständen (z.B. das eight-inch cast iron skillet, der Blaue Mustang, oder Ketchums left hand) läßt sich dann immer wieder sehr gut spielen. Wiegleich es Irving schafft, eine Balance der Kernhandlung und der Erzählung zu halten, wo zum Ende alles Sinn ergibt! Fein auch die Mehrschichtigkeit, weil Koch´s Sohn Daniel Schriftsteller ist und sich ständig die Frage aufdrängt, ob da Irving sich selbst verwurstet, ob er selbst über sein Handwerk schreibt, was ganz am Ende darin gipfelt, daß er aus Innensicht des Daniel die Diskussion mit sich selbst ausbreitet, mit welchem Satz er das Buch wohl beginnen wird. Wie er es aber gemacht hat, so etwas zustande zubringen, erklärt er uns dann - mit Ausnahme einiger Bücher und Restaurants - doch nicht ausreichend (leider, hehe).

John Irving: Last night in Twisted River. 2010.

Freitag, 3. Dezember 2010

Holt mich hier raus (Ich bin ein Star)

Star, Luxuswesen, Globetrotter, Jetset Lady: Oh mein Gott, was ich mitgemacht habe. Das ist zu berichten wert. (Und das mir!) Ich war also wieder auf einem meiner luxuriösen Shoppingtripps nach good ol´London, schwenkte mein Gucci Täschchen und verachtete H&M (daß es H&M auch in London gibt! Zum Glück kaufe ich nicht in den Geschäften des Pöbls (weil, warum sollte ich dann nach Loooondon fliegen!) Nun stolziere ich also in meinen Heels (von Kurt Geiger) zu meinem Konzert, dem einer Alternativband. Musik zu hören (und deren Konzerte zu besuchen, wenn möglich verbunden mit ein, zwei Flugstunden), die der Pöbl erst garnicht kennt, das ist ein Unterscheidungsmerkmal, auf das ich nicht ohne Grund stolz bin. Ihr müßt Euch erst vorstellen - wie aufwendig! Immer neue Bands zu finden, den Pöbl ständig im Gnack. Da red ich ja garnicht von Ö3 (igitt), sondern von den Pseudoalternativen. Kaum habe ich das Konzert verlassen (das war natürlich unerreicht gut, und es hat mir in Facebook® Punkte gebracht sowie ein "I like" mehr (nicht "gefällt mir"), denn NATÜRLICH betreibe ich meine Facebook® Oberfläche in Englisch, als halbe Irin, halbe Londonerin, halbe ... Na, mit dem Rechnen, egal. So eine Klammer muß ich, glaub ich, noch zu machen. ) Erledigt. Also wo war ich, ja, auf der Straße vor dem traumhaft schönen Ambiente (wie hier alles traumhaft schön ist, so weihnachtlich, ich bin geneigt, diesem Kitsch fast schon zu verfallen). Und da war er! Weiß, kühl, feucht, überall, an mir, bis auf die Haut, anhaltend, stark und sanft zugleich: der Schneefall. Das Drama (dann schon sensa musica) nimmt seinen Lauf. Gatwick gesperrt! Kann natürlich nur ein schlechter Scherz sein, also hin. Meinem - zugegeben leicht gekünstelt - hysterischen Anfall beim VIP Schalter von Skyeurope (oder wie die heißen) folgt die Desillusion, daß heute kein Flieger mehr geht und auch alle Hotels ausgebucht sind. Das würde heißen, ich müßte auf einem Feldbett in einer Halle nächtigen, in der sich hunderte fremde Menschen befinden, atmen, schwitzen, und was sonst noch alles. Und das mir! Ausgeschlossen, igitt. Ich zücke eines meiner beiden mit Swarowksy Steinen bestückten Mobiles (für den Pöbel: Handys) und muß feststellen, daß sich die Akkus gegen Null befinden. Ich werde panisch. Wie zum Henker soll ich nun meinen Rettungsruf absetzen? Mit einem WAS? Na, entschuldige, aber das haben was-weiß-ich-wie-viele, teils (oder alle) grauslichen Menschen mit ihrem Ohren und Mündern und Bakterien und Viren berührt. Vorher schreie ich so laut, daß ER mich hört. Er, Didi. Nicht DER Didi. Der könnte mich nur abholen, wo man mit einem Sechszylinder (Allrad) hinkommt. Hier brauche ich schon den großen kleinen Didi. Heb schon ab. Didi! Ich bin ein Star! Holt mich hier raaaaaaaaaaus.

Nachrichtensprecher: Ein Privat ähm Firmenjet mit dem Flugkennzeichen OE-Sprudler1 hat heute den Landeanflug auf Gatwick angetreten, obwohl der Tower mehrfach auf die Sperre hinwies. Beim Aufsetzen...

Luxusgirl: Und dann war es soweit. Ich fügte mich meinem Schicksal und kam zu liegen neben einem, wie soll ich es sagen, Pfarrer wäre vermutlich am zutreffensten. Er hielt mir eine Predigt wegen meines Lebenswandels. Ich könne doch nicht soviel Geld verprassen für sowas. Und mein CO2 Fußabdruck. Und überhaupt, was sich MEINE Generation dabei denke. Ich sagte ihm, er solle doch bitte sonst wo seinen Frust und Neid abladen daran, daß wir die Auserwählten sind, daß wir Spaß ohne Ende haben können und in Luxus schwelgen, daß wir die Krönung der Schöpfung... Danach (Retourpredigt) gab er zu, ein langweiliges Leben zu haben und er wolle sich bessern. Er lud mich auf einen Automatenkaffee ein. AUTOMATENKAFFEE! Ich befinde ja schon den Clooney Kaffee als Abwaschwasser. Hätte er wenigstens ein Gläschen Champagner im VIP Bereich angeboten. Nichts hat er gelernt. (Pausiert) Dabei fand ich ihn irgendwie... und wollte mich gerade für...

Der Lautsprecher zerreißt die Stille, es geht weiter, und wie es sich gehört (schon seit 14.April 1912 ist das offiziell), werden die STARS zuerst RAUSGEHOLT. Ich blickte mich nicht um, fand mich unter meines Gleichen, Luxusmenschen wie aus dem Hochglanzkatalog, stilgerecht echt mit Hang zu Städtetrips. Warschau, ich komme!

Dienstag, 9. November 2010

An Education

Gleich vorweg: wieder ein Streifen, der mehr als gut gemeint ist, aber die Balance zwischen Massentauglichkeit und ausreichend Tiefgang nicht ganz packt. Dabei macht das erste Drittel richtig Spaß, weil man sich großen Aufwand angetan hat, das England der 1960er Jahre in Vollfarbe zu rekonstruieren. Eine Bilderschau, daß man den Gegenstand des Filmes fast vergißt. Irgendwann besinnt man sich zurück, und da bleibt aber der rote Faden zerfleddert. Es wird breit aufgefächert, was das Spannungsspektrum betrifft, sei es nun die vermeintliche Kriminalität des Liebsten, sei es ein mögliches Dreieck mit dem besten Freund des Verehrers, sei es Heirat versus Education ("Hat Dein Liebster Interesse an der klugen Jenny?") oder vielleicht das erste Mal, oder ob sie schwanger ist? All das wären schöne Themen, aber wieder das übliche Leiden: der Film ist zu kurz für so viel. Dabei gibt es einen Punkt, da hätte ich gesagt: ah, jetzt fängt im Schluß so richtig alles zum (Über-)Kochen an, doch dann rettet sich die Handlung in eine Läuterung von Jenny und die Überstellung zur Universität, begleitet von "Das Leben, das ich will, kommt nicht von selbst". Dabei ließe sich die Frage, ob (und wozu) einer Frau in den 1960er Jahren Bildung widerfahren hätte sollen, breit und ausführlich (gar ausufernd) umsetzen. Fazit: Themenverheizerei mit Fluchtweg am Ende, aber handwerklich nette Bilder und kurzweilig.

Montag, 16. August 2010

Like a rollercoaster (ups and downs)

Er: Kenne sie das, wenn man mit einigen Aspekten wenig geliebter Vergangenheit abgeschlossen hat und diese dann wieder aufzucken in ganz konkreten Situationen, was einen bitteren Geschmack hinterläßt? Früher sei es ihm oft (oder eigentlich nur) so ergangen. Er habe, meine er, ein nuanciertes Wahrnehmungsvermögen dafür, ob in einem Gespräch, ob in einer Situation so etwas wie ein Gleichgewicht vorhanden sei, oder ob er (bzw. der/die ander/e, das ist nur eine theoretische Option) immer aktiv sein müsse, immer dafür Sorge tragen müsse, Gespräche fortzuführen, ob er aufdringlich sein müsse, ob er nur höchst schwer durchkomme mit seinem Sud. Freilich, meine sie jetzt, einer müsse schon bereit sein, nachzulaufen, hinterher zu sein, sich anzudienen, Geduld zu zeigen. Aber davon habe er schon genug. Er meine jetzt, er wisse längst, daß er beim Durchschnitt nicht ankomme. Das gehe keinesfalls. Nun, auf der freien Wildbahn, so ließe sich nach zuletzt konstantieren, da komme er auch bei der Elite nicht an. (Wo er, im Einzelgespräch, wo Elitenopfer nicht einfach auskönnen, angebunden sind, dann doch meinte, sogar Elitenmenschen zeitweilig zu unterhalten. Was scheinbar eine Illusion ist.)

Chor der Elite: Er übertreibe, wie immer - immer höre er das Gras wachsen, sei viel zu überempfindlich.

Er: Natürlich könne es auch so dargestellt werden. Aber nur zwei Tage später mußte er sich anhören (mußte!), daß er (und ein Companion seiner) "Entertainer"-Qualitäten habe. Das müsse sich einmal jemand auf der Zunge zergehen lassen: er, ein Entertainer! Anscheinend brauche er Situationen, wo seine Gegenüber nicht wegkönnen und keine Alternative haben. Eine Bühne, einen Dialog 1:1, da kann er punkten. In der freien Wildbahn, da sei der dem Verhungern preis gegeben.

Chor der Elite: Er übertreibe (schon wieder), er, ein Entertainer, das ist dann ja doch zu hoch eingeschätzt. Er finde eine Mitte.

Er: Vermutlich sei sein Problem, daß er die Flucht aus der Mitte nach oben antreten habe wollen, wo er doch bei seinen Leisten bleiben sollte und sich mit der Bodenbildung zurechfinde. Er sei jedenfalls hin und her gebeutelt und froh, daß es manchmal auch aufwärts geht in dieser Achterbahn.

Donnerstag, 5. August 2010

Blue as Rosie

Er (zu sich: Wahrlich wie weich!), dann an SIE gerichtet: "Wow, Dein Blick gleicht dem von Rosie Calogero."
SIE (unsicher, aber noch mehr durch die geweckte Neugier getrieben, wie jede, die etwas über sich erfährt, gerade wenn es um die Augen geht): "Wer?"
Er: "Ich will Dich nicht langweilen."
Sie: "Das tust Du nie."
Er: "Gut, ich lasse nun all die Floskeln und das weite Ausholen. Wobei, schade, ich hole gerne weit aus" (kurze Pause) "Rosie Calogero ist eine Romanfigur in dem Buch, das ich gerade lese. Sie ist von anfang an schon tod..."
Sie: "Na super"
Er: "...und trotzdem im Verlauf des Buches ständig präsent. Beziehungsweise kann man sagen, " (und dabei hebt er theatralisch wie immer in zwei Zehntel Sekunden den Arm, was ihr noch nicht einmal eine müdes Zucken des Augenlides wert ist, weil sie all das schon so minutiös kennt) "sie nimmt stellenweise eine, die weitere Handlung erklärende bis teils bestimmende Rolle ein, und sie taucht für eine Tote erstaunlich oft auf. So in Zeitsprüngen."
Sie: "Was war das noch mal für ein Buch?"
Er (ohne seinerseits mit einem Augenlid angesichts der Tatsache zu zucken, daß sie nach zwei, einen, drei - er weiß es nicht - Gesprächen sich nicht gemerkt hat, woran er kiefle): "Weißt eh, das neue Buch von ..., nämlich ..."
Sie (ohne daß er sagen hätte können, ob das einzuordnen sei als Verlegenheits-ah oder doch als Erinnerungs-ah): "Ah!"
Er würde sich jetzt erwarten, daß sie anschließe mit dem Fragen danach, wie denn nun die Augen von Rosie seien, das würde er, wenn er nicht längst gelernt hätte, das selbst ausgesprochen kluge Menschen nicht zurande kommen mit seiner maßlos ausufernden Art, vom Rand des Universums zum Kern der Sache über zig Umwege zu kommen, wo es so schon so weit ist: da muß ja der Faden reißen. Und weil er das erkannt hat, wartet er nicht auf die Frage, sondern konjunktiert mit einem "Naja, " und weiter "wie gesagt" (eines seiner Lieblingsworte, um sich wieder und wieder zu vervielfältigen) "das hat mich an die Beschreibung vom Blick im Buch erinnert".
Sie: "Ah, und wie schaut Rosie?"
Er: "Das Blau ihrer Augen wird beschrieben anhand eines schwarz-weiß Photos mit 'lethal-blue', wenn ich mich nicht ganz täusche, und das käme kurioserweise im schwarz-weiß Bild so richtig zu tragen. Heißt es."
Sie: "Ich habe tödlich blaue Augen??"
Er: (sich leicht vorbeugend und zusammenknickend, so als ob er einen Schritt nach vor tun wollte und dann doch nicht) "So würde ich das nicht sagen. Sie hat ja niemanden umgebracht. Im Buch jetzt. Im Gegenteil, sie hat sogar zwei Männer zu Freunden gemacht - " (Er entschuldigt sich in der Annahme - wie immer - daß man ihn jetzt nicht abwürgen werde) " - da muß ich jetzt weiter ausholen. Wenn´s Dich interessiert"
Sie: "Ja, sicher"
Er: "Also. Ihr Mann bzw. der Vater ihres Kindes, der Koch, der ist jünger als sie. Dann gibt es noch einen Holzarbeiter, einen Logger, einen sehr männlichen Typen ihres Alters. Der ist des Lesens nicht mächtig und nimmt bei ihr Unterricht. Wo dann später rauskommt, daß er sich von ihr nur vorlesen hat lassen, und vorlesen, das ist bei diesem Holzarbeiter so was wie ein Vorspiel. Nun knallt dann der Koch, nachdem ihm seine Frau das eröffnet hat - allesamt betrunken - dem ihm körperlich klar überlegenen Holzarbeiter, Ketchum heißt der, eine mit dem 8-inch Skillet. Ein gußeisernes Pfandl. Sie stellt dann klar, daß sie entweder beide weiter lieben werde und sie beide sich nicht nur vertragen sondern auch gegenseitig aufeinander acht geben müssen, oder daß sie jetzt sofort gehe. Sie kommt dann um, ebenfalls recht kurios. Aber das ginge jetzt zu weit, sonst erzähl ich gleich fünfhundert Seiten nach."
Sie: "Ich habe keine zwei Männer"
Er (führt seine ortsüblich Geste vor, wenn er vergeht, er knickt zusammen und macht dabei einen Schritt zurück, verdreht die Augen und stöhnt mit kräftigen Ausatmen tonlos "Nein! Das mein ich ja nicht. Übrigens war heute im Radio, weil´s jetzt als anderes Extrem dazupaßt, Ariadne auf Naxos zu hören, so schön, daß ich beinahe nicht mehr weiterfahren konnte. Dabei geht´s..."
(Just klingelt ihr Telefon, sie müsse jetzt dringendst minderwertige Tätigkeiten vollführen).
Sie geht ab.
Er steht noch da, denkt über den schönen Gesang nach, und wie die Geschichte der Verlassenen - also woher zwei, sondern gar keinen zu haben - in seinem ewigen Erzählreigen anschließen könnte. Und daß in seiner Rollenverteilung von Betrügender/em, Betrogener/em und Dritte Person im Betrug auch noch die Rolle der/s Verlassenen hinzukäme. Quasi für seine Landkarte an Rollen, die man möglicherweise zeitlebens je inne hatte, wo man schon seine Fahne pflanzen müsse, ob man jemals betrogen hat oder wurde, verlassen hat oder wurde. Haben oder werden. Ich tue und man tut mir. Aktiv, passiv, oder keine Rolle, Langeweile. Er steht noch immer da.

Montag, 28. Juni 2010

Highway to...

Führt man geäußerte Aussagen verschiedener Personen zusammen, die ich mir gegenwärtig wieder ins Gedächtnis rufe, so zeigt sich ein interessantes, wenn auch bedenkliches Bild wenn es um das Thema Kinder geht. Wir sprechen hier von Personen, die in der zweiten Hälfte ihrer Zwanziger sich dem Thema Kinderkriegen zusehens annähern. Früher meinte man noch, die wollen "Karriere" machen oder sich noch "selbst verwirklichen". Aber diese Meinungen gehen in die Richtung, daß es heutzutage einfach als viel zu mühsam gesehen wird, sich "Kinder anzutun". Das ist nichts anderes als ein weiterer, ganz extremer Auswuchs der (viel zu) stark verwöhnten Generation derer, die nach ~1980 geboren sind. Lustig, daß ihnen sogar schon der "Kindersatz Hund" zu anstrengend ist. Es bleibt also für sie: "ich ich ich ich ich". Um sich zu inszinieren fügen sie dem Rezept noch diverse Lebensabschnittspartner sowie """"Freunde"""" hinzu.

In dieses Lebenskonzept paßt auch der völlig rücksichtslose Umgang mit dem Planeten, die Produktion von CO2 ohne Ende, denn wir, wir die absolute Krone der Schöpfung, werden neben unendlich viel anderem auch ihn, den Planten, konsumieren. Für wen, bitte, sollen wir ihn bewahren? Eben. Richtig schön dekadent.

Das Ganze ist aber nicht nur für die Gesellschaft höchst bedenklich, sondern (fairerweise) in einer späteren Zeitspanne auch für die Betroffenen selbst (was aber zu spät erkannt werden wird), und so rasen wir fröhlich auf dem von AC/DC zitierten Highway to...

Dienstag, 8. Juni 2010

Zum Kotzen

Es muß gesagt werden: mich kotzen Menschen, die sich über den Erwerb und Besitz von Gegenständen definieren, und das fast ausschließlich. Leute, die sich klug halten, weil sie sich ständig den neuesten Elektronikschrott kaufen und damit nichts anderes fördern, als ihre eigene Verblödung. Leute, die einen für dumm halten, weil man keinen Wert darauf legt, im Gegenstand "Handykunde" exzellent zu sein. Ich kann diese Selbstgefälligkeit nicht und nicht ertragen. Wohin wenden, um Gerechtigkeit zu erfahren? Damit diejenigen selbst erkennen, welche traurigen Lachgestalten sie mimen. Die Welt ist verrückter denn je.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Facebook und der Pöbel

Was ist an diesem Facebook das wirklich erstaunliche für einen, der eh auch schon gut eine Dekade an allerhand "revolutionären" Internetentwicklungen miterlebt hat? Ich kann es Euch sagen: Facebook ist die Anwendung, die der Pöbel (die Kategorie "Pöbel" hat man mir netterweise für diesen Beitrag beigestellt) in aller Breite und eingehend nützt. Wie ich gerade jetzt drauf komme. Nun, zum Facebooken dazu gehört ja wohl das Stierln in fremden Profilen, das Betrachten von Personen, die man nicht mal zu seinen Facebookfreunden zählen möchte (und das heißt eh schon was, denn da ist keiner mickrig, denke ich). In meinem (realen) Umfeld wohnen einige Personen solchen Kalibers, und ohne michselbst jetzt wahnsinnig überhöhen zu wollen: die fallen definitiv in die (wie gesagt, geborgte) Kategorie "Pöbel". Aber im FB finden sie sich, und sie sind auch noch aktiv. Das erklärt mMn auch den Fakt, daß weltweit eine halbe Milliarde User registriert sind. Dabei liegt Österreich (lt. der Karte im aktuellen TIME) vergleichsweise moderat in der Stufe 20-29% (der Bevölkerung). Dann lese ich also, daß Leute ohne weiteres angeben, vier Stunden am Tag mit FB zu verbringen. (Wobei, das wird vermutlich im Rahmen des allgemeinen multimedialen Taskings neben Fernsehen etc. von statten gehen, also nicht dem Schlaf oder der Zeit für Körperpflege vorenthalten). Beiträge über FB finden sich ja gegenwärtig allerorts, überall diese furchtbaren Bedenken wegen der Privatsphäre. Aber was ist denn so furtchtbar? Nichts steht im FB, was man nicht selbst reingeschrieben hat (mal abgesehen von ganz üblen Mitmenschen...) Das Problem dabei ist mMn die fehlende Medienkompetenz dafür, oder sagen wir: das Gespür bzw. der versagende Hausverstand bzw. die mangelnde Vorstellungskraft. Die nachkommende Generation wird damit umzugehen wissen, genauso wie es bei jeder Innovation war. Aber jetzt geht es eben rund, und da meine ich, daß die Naivität breit gestreut ist, jedoch beim Pöbel sicher stärker ausgeprägt. Das arge ist ja, wie viele Leute mit echtem Namen drinnen sind, und noch viel schlimmer, mit echtem, gesamten Geburtsdatum. Haben sie schon mal versucht, Personendaten zu "machen"? D.h. beispielsweise eine Liste mit ihren Kundendaten mit einer zweiten Liste, wo Vorlieben der Personen angegeben sind, damit sie die Kunden entsprechend ihrer Interessen ansprechen können. Ichselbst war bei sowas dabei, vor Jahren und noch recht dilletantisch. Aber über den Namen und das Geburtsdatum ist das sehr einfach. So, und nun liefern Sie FB ihren (echten) Namen und ihr (echtes) Geburtsdatum. Dazu noch zig Daten dazu. Bisweilen ist die kommerzielle Nutzung aus den Daten noch moderat, aber in Palo Alto schläft man nicht.
Wobei ich auf der anderen Seite sagen muß: FB zu verweigern ist auch nicht mehr cool. So wie kein Handy zu haben, das ist auch nicht mehr cool. Im Endeffekt muß es eh jeder selbst wissen, aber ichselbst sehe mit leicht gemischten Gefühlen diesem Treiben zu, sonne mich aber in einer recht amüsanten Anordnung zwecks Profilen (Freunde? Wir zwei nicht!)

Dienstag, 20. April 2010

Ghostbusters

Woher nimmt sie nur dieses Gespür, Gutmenschliches, Zeitgeistiges trotz oder gerade wegen der bedingungslosen allgemeinen Goutierung zu hinterfragen? In "Recherchegespenst" greift Katrin Röggla den Bereich der NGOs (non governmental organizations) auf, im selben Atemzug das moderne Nomadentum einer Generation von Laptopwarriors, die sich in der Internationalität verliert und das Zurückkommen nicht mehr schafft. Und dazu streift sie noch Journalistentum, die Recherche als solches, Professionalität selbiger. Und neben diesen Schichten ist auch die Umsetzung als Hörspiel mehrschichtig. Ein Hintergrund der Recherche, das Tippsen auf - natürlich - einem Laptop, ein Tonbandgerät mit einem Interview, der zunehmend sich zuspitzende Zwist zwischen (anscheinend) Geschwistern, weil die Story den Bach runter geht. In Röggla´scher Manier erfreue ich mich auch wieder des Konjunktives, der aber diesmal garnicht so kraß hervortritt, auch der Wiederholungen und Variationen. (Ich könnte jetzt nachschauen, ob Recherchegespenst zeitlich vor oder nach Wir schlafen nicht / Worst Case entstanden ist). Im Vergleich mit den beiden genannten Stücken, von denen ich eines gelesen und eines im Theater ("Wir haben eine Röggla-Vergangenheit") erlebt habe, meine ich für mich: für sie ist das Hörspiel noch tauglicher, als die Bühne. Die Umsetzung ihrer Form ist anspruchsvoll genug, da bedarf es keiner Szenerie.
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich auch das NGO Business (!) als ein dreckiges. Hilfe wird zum Selbstzweck, wer nicht genügend Mittel aufbringt und sie verwertet, ist draußen - und in der Abhängigkeit von Medien und Politik sind alle Mittel recht, Akquise und neue Projekte ständig. Hauptsache Demokratieexport (oder doch Neoimperialismus). Bis dann es auftaucht, das Recherchegespenst, wieder ein Dropout des Demokratieexportgewerbes. Und wo sind jetzt die Zinsen für meine Aufmerksamkeitsenergie? Bedarf es denn nur noch der Züchtung einer Escape-goat, und dann via Lounges (airconditioned) und Expatstreffs zum nächsten Ziel. Es sei denn, die Isländer befeuern gerade wieder ihren Vulkan.

Montag, 19. April 2010

Wishful thinking

"Lieber fünf Minuten am Tag genial, als acht Stunden rumhocken."
(fehlt nur noch die Genialität und diejenigen, die sie mir abkaufen. Aber der Rest - Couch im Büro, Vormittagssport, kochen, rasten, Kaffee saufen, Schmäh führen - wäre schon da.)

Sonntag, 4. April 2010

Das Pendel schlägt zurück

"Die Erde rotierte, doch der Ort, wo das Pendel befestigt war, war der einzige Fixpunkt im Universum" (p.11)

Daß ein Pendel zurückschlägt, liegt in der Natur desselben; in meinem Fall hat es das aber wirklich. Vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich Das Foucaultsche Pendel (Umberto Eco, 1988) erstmals gelesen und dabei anscheinend nicht viel mitbekommen. Sonst hätte ich nicht der Idee anheim fallen können zu meinen, Das Pendel sei nicht noch besser als Die Rose. Nur muß sich erst einer drauf einlassen.

Worin liegt mein Faszinosum in diesen achthundertirgendwas Seiten? Vermutlich will jeder Leser so sein wie Casaubon, vermutlich auch ich. Und dieses Hineintappen in etwas, das, von völlig harmlosem Ausgang, schließlich ganz und gar außer Kontrolle gerät: nicht daß ich mir so etwas wünschte oder gar anmaßte. Aber! Sich aus Fakten, aus nichts als Fakten etwas zusammenzimmern, sie neu anordnen, mit ihnen jonglieren, sie mißbrauchen, sie drehen, wenden, zusammensetzen, bis es paßt als Puzzlestein in den Großen Plan. Geht es dann doch nicht weiter, vertraut man dem Computer, dem lieben Abulafia, oder Bergen an Manuskripten entsprechend verrückter Hermetiker oder Illuminaten. Ganz am Ende werden die Konstruktionsregeln geoffenbart (p.796f), demnach (i) werden die Begriffe per Analogie verbunden, in Folge (ii) verifiziert, indem sich die Kette schließt (z.B. Kartoffel-Apfel-Schlange-Kringel-Rettungsring-Badeanzug-Meer-Schiff-Shit-Droge-Spritze-Loch-Boden-Acker-Kartoffel) und dabei ist (iii) zu beachten, daß die Verbindungen eben nicht zu originell sein dürfen, sondern zumindest ein mal, besser mehrmals von anderen so getan.

Das Buch ist ja von Deckel zu Deckel voll gespickt von direkt benannten Zitaten und noch viel mehr weniger bis nicht direkt benannten Verweisen, nicht nur zu Büchern: "Wie schwer ist es, ein Versteck [im Conservatoire Saint-Martin-des-Champs] zu finden, wenn die Verstecke Bilder einer Ausstellung sind." (p.19) Vielleicht ist es die Freude, hie und da so einen Verweis zu entschlüsseln, sich fast im Augenblick zu fühlen, wie einer der drei Lektoren. Nur eben ganz klein.

Gerade in Zeiten, wo man nichts mehr weiß und stattdessen alles Google zu entlocken meint; selten gebe ich Neid zu, aber an dieser Stelle... "Ich beschloß, mir einen Beruf zu erfinden: mir war aufgefallen, daß ich viele Dinge wußte, die alle zusammenhanglos nebeneinander standen, aber die ich in wenigen Stunden durch ein paar Bibliotheksbesuche ganz gut miteinander verbinden konnte" (p.291), und so erfindet er seine Agentur für Bildungsauskünfte. Casaubon bastelt sich natürlich einen Karteikasten, wo wir gleich bei "Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt" (Eco, 1977) sind, wo der Autor das eben genannte den angehenden Verfassern der Laurea rät.

Vielleicht faszinieren mich an diesem Buch auch die vielen Fundstellen, Weisheiten, die Atmosphäre in Pilades Bar, die Logik des Geheimbundes: je mehr man etwas abstreitet, desto mehr wird es für wahr gehalten und dessen Persiflage: "Ich habe mir aus Frankreich das Adreßbuch aller zur Zeit in der Welt existierenden Geheimgesellschaften kommen lassen" (p.343). Oder ist es Lorenza am Flipper? Oder dann doch die Dialoge. Oder ist es der arme Belbo, alles was er mitmachen mußte, alles wegen dem Baryton und dann doch sein Triumph post mortem aus dem verstaubten Schrank im Piemont.

Was für ein Buch! Und so schreiben die drei Verlagslektoren die Weltgeschichte neu, erklären von den Kreuzzügen bis zum Holocaust alles. "Der Plan ist wahr." (p.34)

Montag, 15. März 2010

Iden

jetzt kommt der Windstoß,
läßt den schweren, batzigen Schnee von den
Ästen des kleinen Apfelbäumchens stürzen -
und das in den Iden des März,
Lenz, wo bist Du?

Dienstag, 16. Februar 2010

Knochenweich

Geld, Gier, Sex, die Gottlosigkeit der heutigen Zeit, Egoismus? Eines all dieser Dinge oder alle gemeinsam haben die Geschichte ausgelöst, in die "unser" Brenner da getappt ist. Mit "Der Knochenmann" erlebt man das seltene Kunststück, daß massentaugliche Ware auch für (selbst ernannte) Kulturgutmenschen passend sein kann. Mit dem Gasthaus & Fleischerei Löschenkohl als Rahmen hat man großes Gespür bewiesen, steirische Heimatfilmtragödien mit pathologischen Einlagen, das alles einem unbedarft zum Handkuß kommenden Hader, der mit Sprüchen wie "Beim Hendlessen ist alles möglich" als Reaktion auf den gefundenen, abgetrennten Finger und die These, es sei "vielleicht ein Unfall gewesen" punktet und diese diversen Perversitäten so schön ad absurdum führt, daß man sich delektiert, wenn er Mitten in der Nacht Wirtens frisch gekochtes Erpressergulasch ißt und die Zartheit des Fleisches lobt. Bei uns am Land, wo eben die Welt noch in Ordnung ist.
Mit der Anzeige des Wirten durch den Juniorchef nimmt der Plot eine gefällige Wendung, die dann in einem Faschingsgschnas gipfelt, das ohne aufgearbeitete Leiber als Hintergrund graumsam genug wäre. Passend dazu auch die Liebesszene, Brenners Schnellschuß und als Parallelhandlung das Blättern im Buche der Geschlechtsumwandlung.
Natürlich könnte man sagen, ein paar Details wie die penibel gezogenen Zähne des ersten Opfers seien an der Grenze, aber der Vorschußlorbeerbaum, den österreichische Produktionen an sich schon haben, hat sich vollends als gerechtfertigt bewiesen. Und der Brenner ist so entwaffnend genial knochenweich, unerbittlich zugleich - hundert Punkte.

Montag, 8. Februar 2010

Kurzweilig ist langweilig

Also habe ich samstags (mit Unterbrechungen) den Streifen "Der Teufel trägt Prada" im Fernsehen geguckt. Gewünscht hätte man sich so etwas wie eine Milieustudie, aber "Studie": dafür war das zu kurzatmig. Um die Handlung voranzutreiben (sehr viel Handlung, sehr, sehr viel) blieben die Charaktäre auf der Strecke. Schön langsam glaube ich, ich werde zu alt für dieses Hollywood-Schema, das über jedes erdenkliche Thema gestülpt wird. Um unterhaltend und massentauglich, kurz gesagt: um kurzweilig zu sein, muß verkürzt, grob vergrößert, auf Klischees zurückgegriffen werden. Und eben diese Kurzweile ist mir langweilig geworden, so durchschaubar, so ein übelriechendes Fastfoodweckerl, das immer gleich schmeckt.

Aber abgesehen davon. Was will uns dieser Film sagen? Daß man, sofern man sehr klug ist und bereit, jede Überstunde (!) zu leisten ohne Ende, auch in einer sehr harten Branche mit Größe 36 durchkommen kann? Daß auch an sich grundschlechte Menschen in kurzen Momenten ihr Herz erweichen können? Daß ein Seitensprung vor der lebenslang glücklichen Monogamie sein muß? Gerade bei letzterem Sachverhalt drängt sich VickyChristinaBarcelona auf, auch hier "mußte" ein Seitensprung Vickys sein, um die Ehe zu ermöglichen. Paßt eigentlich garnicht zur amerikanischen Sichtweise der Dinge. Aber es wird auch insofern nahe gelegt, als die jeweiligen Partner bzw. die künftigen Ehemänner doch jederzeit danach problemlos parat stehen, sich noch nicht einmal groß zieren. Noch ein Aspekt ist des Strapazierens wert: Frauen. Diese Branche, obhin in Echt sehr wohl Männer genauso die Linien vorgeben, wird im Film als Frauenbetrieb gezeigt. (Gerademal ein Mann, Nigel, sofern ich nicht irre, kommt vor, und hej: heißt es nicht, Männer in der Modebranche müssen per se schwul sein müssen? Dabei ist das so ein Schwachsinn - grundsätzlich betrachtet. Denn was ist denn das hehre Ziel der Modebranche: Frauen schön machen, sie schmücken, sie in eine Augenweide verwandeln, elegant, gewagt, sexy. Jedenfalls. Und wäre da nicht ein hetereosexueller Mann besser, der Frauen liebt, ihre Erscheinung, ihre Ausstrahlung, auch ihre Körper. Der sie dann versucht und vermag, Kraft aller Phantasie alle Blicke der Bewunderung sicher zu machen? Aber das denkt ein Kurzsichtiger.
Jedenfalls, in unserem Film wird es sogar rezitiert: wäre sie (Mrs.Modemagazin) ein "er", es würde nur heißen, er mache seinen Job gut. Will uns Hollywood also sagen, Frauen müssen 10x härter arbeiten und sein, um Karriere zu machen, und dann gelten sie auch noch als Eiskönigin.
Irgendwie kann ich mich mit all diesen Bildern nicht anfreunden. Und dieser moralische Wandel zum Schluß: widersagst Du dem Teufel und seinem mit High Heels gepflasterten Weg in die Hölle? Ich widersage. (Die Steigerung wäre gewesen, daß die Protagonistin vorerst innerlich widersagt, aber sich bis zur Leitung des Magazins hochdient und dann alles umkrempelt auf fair und menschlich). Träum weiter...

Donnerstag, 21. Januar 2010

Miniaturen

Miniaturen ist fortan mein Label für Gedanken, Ideen, Gehörtes, Skizzen - kurzum für was so reinkommt und worüber man viel sagen könnte, aber wann. Also kurz und schmerzlos.
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Berichtet wurde über das Wiener Heizungsmusmuseum, und die Sprache kam auf den Ofen und auf die Rolle des Ofens in russischen Erzählungen. Wäre doch ein schönes Diplomarbeitsthema: die Rolle des Ofens in der Russischen Literatur. Denn, so im Beitrag, Öfen fingen dort auch mal gerne an zu erzählen. Natürlich nicht irgend so ein neumoderner Designkobel, sondern ein alter Herr, nicht so steril, wo auch mal ein paar Brösel Asche rausfallen, oder ein Stück Glut, wo keine Glastüren russig werden, aber Email herlacht und der Schuber beim unteren Ofentürl, so offen, einen Schimmer der Glut in die sonst nur von ein, zwei Kerzen erhellte Stube wirft. Vielleicht müssen wir nur besser zuhören, hinhören, um in kalten Winternächten die langen russischen Geschichten vernehmen können.

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In der Serie zu Analyse, Feedback, Reflexion wurde ein Phänomen betrachtet, das sich heutzutage zusehens in der Generation der "Nuller" (Millenials) bemerkbar macht. Irgendwann so in den Neunzigern ist auch hierzulande der Trend angekommen, daß Kritik nicht mehr en vouge sei, man gibt höchstens noch gutgemeintes Feedback, das ganz vorsichtig, mit Samthandschuhen, nur um ja das zarte Pflänzchen einer mickrigen Motivation nicht zu zerstören. Das geht dann so: das kleine 1x1 nicht gekonnt, aber zufällig per Finger 2 und 2 erraten, schon wird derjenige mit Lob überschüttet. Dabei hätte eine ehrliche Kritik eine wichtige Funktion, nämlich vor späteren Enttäuschungen zu bewahren. Wie erzählt uns Mathew G. Sumner mit seinen Polizisten "Truth hits everybody". Und wenn man einem Menschen von Kindesbeinen an einredet, er sei ja so gut, so was besonderes, so toll, überdurchschnittlich (sic!) - und dann holt ihn die Realität ein, - dann ist das eine harte Landung. Unerträglich hart. Besser wissen, woran man ist. Andererseits: wenn so eine Generation von (vielen) Lutschern nachkommt, dann wird man auf uns Alte Menschen im Berufsleben auch nicht verzichten können. Den Nicht-Lutschern unter den Jungen wird man aber gehörig nachlaufen müssen, sie bezierzen, sie rausfiltern. Lustige Zeiten.

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Sie schlägt die Türe hinter sich zu. Nein, das müsse sie sich nicht anhören. Es reiche schon, was sonst so mit ihr gemacht werde. Das reiche zur Genüge. Jeden Tag leiden, warten auf den nächsten Tag, wieder leiden. Nichts ändere sich. Nur daß sie jetzt auch noch abseits von dem üblichen Gemurkse für dumm verkauft würde, für platt, das sei ihr neu, das verstehe sie nicht. Dabei meinte sie gerade diese Person doch unter den wenigen, die ihr gut gesonnen seien. Aber auch das Bild habe jetzt einen Sprung bekommen. Sich über sie lustig machen, billige, laute Lacher abfackeln auf ihr. Sie versucht, raschen Schrittes davoneilend, Haltung zu bewahren. Ja, eine Haltung durchhalten, das sei schon nicht mehr so einfach heute, als es noch früher war. Nichts ist, wie es scheint. Täglich irre sie sich in Menschen, und das könne ja nicht nur ihre schlechte Einschätzung, ihre kurzsichtige Menschenkenntnis sein. Zeige man ihr einen Menschen, der nicht launig sei, der nicht nur auf sich bedacht sei, der es ernst meine, der sie verstehe. Einen!

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Einer kurzen Einleitung über das Potential an zu verlierender Zeit, das in "diversen Sozialnetzwerken" lauere, meinte doch Ulla Pilz heute morgen, eines sei ihr schon bemerkenswert an einem Zeitgenossen aufgefallen. Und zwar in seinem Profil, unter der Rubrik "Religiöse Ansichten" sei zu lesen: "Johann Sebastian Bach". Überhaupt finde ich das Pasticcio (wer auch nicht weiß, was Pasticcio heißt: eigentlich: Pastete, gemeint: Werke verschiedener Herkunft) ein ganz gelungenes Format, wenn dann auch noch passend Kurt Tucholsky vorgetragen wird - einfach fein.

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Ein Zitat noch: "Wenn man nur eine Stunde am Tag träumt, dann hilft dies, glücklich zu sein." (Francesca Fabbri Fellini, Nichte von Frederico). Hat was an sich, und vor allem: so was von gegen den Zeitgeist, wo ja keine/r Zeit für irgendetwas hat. Sich da eine Stunde pro Tag rausnehmen: das ist Luxus.

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Winwood oder Clapton? Zuletzt hatte ich Gedanken geäußert darüber, ob die schönste Zeit im Leben schon vorbei sei, oder ob die schönsten Zeiten noch kommen werden (aus Sicht wenn man 99 ist). Nun, ich bin für michselbst optimistisch, meine mich dann cooler als je zuvor, den BMI bei 23 eingemauert und altersgemäß verdammt gut aussehend. Bei Youtube können Sie sich Eric Clapton und Steve Winwood ansehen, beide zu diesem Zeitpunkt um die sechzig. Aber vergleichen sie: Winwood wirkt um 10 Jahre jünger, aber nicht nur des Aussehens wegen. Er wirkt einfach gelassen, selbst zufrieden, und er strahlt förmlich. Sieht doch gut aus. (Suffice to say, daß Eric immer anbetungswürdig ist.) Also, wie werden wir uns auf der Bühne bewegen mit ... Jahren am Buckel. Unerhört lässig, mit Spaß dabei, Feuer im Herzen, jeden Moment leben.

Freitag, 8. Januar 2010

Null und nichtig

Was haben wir, werden wir dann 2073 sagen, nicht alles überlebt: Tschernobyl, Irakkriege, den Zusammenbruch des Kommunismus, die Y2K Umstellung und was-weiß-ich. Dazu gehören dann auch die sogenannten "Nullerjahre", das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends. In Zeitung und Radio gab es Rezensionen von Büchern (siehe unten), und da will ich nicht hintanstehen und ein paar der Trends herausgreifen und kontrollieren, ob ich - ganz Bösemensch (im Sinne des Gutmenschkonzepts) - eh überall nicht dabei war, ob alles an mir vorbeigezogen ist. Schon geht´s los:

Rastlosigkeit, Mobilität, Laptop, Smartphone, Rollkoffer
Um Trends auszumachen, lohnt auch der Blick rückwärts, der Vergleich sozusagen mit den 1990ern. Und Mobilität mit seinen Ausprägungen, auch die Vermischung von Arbeit und Freizeit, hat uns voll erreicht. Schmähtandler eher weniger, aber doch auch. Zwar nicht das rumhocken allerorts mit dem Laptop und garviele Reisen, aber ein Smartphone wurde mir beigestellt, und einen Rollkoffer besitze ich. Für meine Altersklasse hat mich der Trend aber nur mäßig getroffen.

Coffee to go, Latte Macchiato
Ekelhaft - entschuldigung -, aber das ist das erste Wort dafür, das mir einfällt. Gerne ließ sich Wien von den Türken belagern, um an Kaffee zu kommen und eine ausgeprägte, fein nuancierte Kaffeekultur zu entwickeln. Daß dann aber Starbucks (und Co.) kommt und uns was vom Kaffee erzählen will, das trifft mich schmerzhaft in meiner Liebe zum Kaffee. Aber ob Starbucks sehr erfolgreich war, weiß man nicht. Stand ihnen am Ende das Wasser schon bis zum Halse?
Schmähtandler ist kein Kaffeefetischist, aber diese vermilchten Karamelverwirrungen: da müßte die Not schon groß sein.

globale Vernetzung
Durch Internet hat sich dieser Bereich stark gewandelt. In den 90ern war das TIME Magazine das einzige Internationale, was zum regelmäßigen Medienmenü gehörte. Trotzdem gehört Schmähtandler nicht zu denen, welche der hiesigen Tristesse entfliehen wollen, indem sie sagen: überall ist es besser als hier.

iPod, iPhone
Schon genug darüber gelästert. Beides habe ich nicht, wenngleich doch einen mp3-Player und einen (Firmen-)Blackberry. Die Zeitung schreibt gar beigeistert, der iPod sei auch durch sein stoffliches Erscheinungsbild (Gehäuse etc.) so erfolgreich, drehe man am Navi-Rad, sei es "als würde man eine Katze hinter dem Ohr streicheln". Nun ja, wie heißt nochmal die Liebe zu stofflichen Dingen? Fetisch?

Flatrate
Von All-you-can-eat Aktionen und insb. All-you-can-drink Parties ist ja nicht viel zu halten. Als ehemaliger Mitarbeiter in einem Betrieb, der sich auch mit Flatrate beschäftigt, weiß ich sicher zu sagen: gewinnen tut am Ende immer der Anbieter. Falls einer zuviel sauft, saufen eben drei andere zu wenig. Und man verkauft ihnen den billigsten Fusel. Etwas das keinen Preis hat, ist auch nichts wert. Selbst hat man irgendwann mitte des Jahrzehnts auch seine Flatrate bekommen, die von Aon Speed (Breitbandinternet).

Bionade
Sagt mir garnichts, weiß nicht, wie die in der Zeitung darauf kommen. Aber der Kommentar dazu läßt es als Gutmenschgetränk vermuten. Man fühle sich besser, es sei "authentisch-abseitig", war zu Beginn als "alternativ" einzustufen und damit non-plus-ultra für Gutmenschen.

Facebook
Plötzlich kennt man einen Haufen Menschen, die per Notation im FB auch noch "Freunde" sein sollen, womit sich Schmähtandler schwer tut, der per Definition "koani Freind´" hot. Aber ab einer gewissen Menge stellt sicher zweierlei ein: man hat ein schönes Publikum, dem man seine verrückten Ideen "verkaufen" kann. Und: man kann sehr viel über die Leute lernen. Die Gefahr dabei ist, daß das 2. Leben bald das erste ausbremst und man in realiter garnicht mehr kann, oder FB-Manier im echten Leben anwendet: "Gefällt mir" oder "Teilen". Selbst ist man auch bei FB, hat sogar zwei Identitäten, ums nicht zu einfach werden zu lassen.

Speeddating
"Speed" könnte überhaups eine Vorsilbe der Dekade sein. Alles muß schnell gehen, für nichts nimmt sich jemand Zeit. Wie soll man auch? Wenn der Partner regelmäßig gewechselt wird, da kann man in das Werben, in das Verliebtsein nicht mehr viel Zeit investieren. Ginge sich garnicht aus, überschneide sich ja. Schmähtandler fordert im Sinne der N.R. wieder zurück, daß man sich monate- und jahrelang um die Angebetete bemüht, Unglaubliches aufführt, unternimmt, sich einfallen läßt, daß sich die Angebetete ziert, aber charmant und liebenswürdig - und beide dieses schöne Spiel, die Tête-à-Têtes, Nähe und Distanz, Höhen und Tiefen voll fühlen und genießen.

Blogs
Zwischenstadium, das gerade für jene sinnvoll ist, die etwas zu sagen haben, aber technisch keine Homepage hinbringen. Konnte aber zu keiner Breitenbewegung werden; wer hat heute schon noch was zu sagen, außer "Gefällt mir"? Schmähtandler hat gleich mehrere Blogs, gleichwohl der bereits vor Beginn der Dekade eine Homepage hatte.

Alte Menschen: Wii Sports, Viagra, Nordic Walking, Anti-Aging
Alt werden ist wohl der Antitrend schlechthin der Nullerjahre. Alte Menschen bleiben also jung, mehr oder weniger peinlich, bis sie von der Realität eingeholt werden. Das geht so weit, daß sogar Schmähtandlers Vatern Inlineskates fährt. Der Unterschied ist aber, daß diejenigen, die in den Nullerjahren schon alt sind, dazu stehen und sich nur nicht ganz so verhalten, wie echte Alte.

Prolongierte Adoleszenz, Jugendzwang
Dagegen wollen junge Erwachsene ihre Jugend verlängern, zelebrieren, abfeiern, solange es nur irgendwie geht. Und da gibt es kaum Schranken (die Alten brechen im Gegensatz dann, hart gesagt, irgendwann zusammen). Einzig bei Frauen tickt dann so ab Mitte dreißig etwas. Aber auch das ist längst kein Grund mehr. Es herrscht geradezu ein Zwang vor zum Jungsein. Das Erwachsensein wird auf später verschoben, aber da fürchte ich fast, daß es sich mit dem physischen Altsein überschneiden wird. Plötzlich ist das Leben aus, dabei wollte man doch gerade erst... Schmähtandler ist eher das Gegenteil, er ist seiner Zeit voraus, älter als er laut Zulassungsschein ist.

Karaoke, Rock Guitar Hero
Just 1999 hat Schmähtandler erstmals bei einer Privatparty eine Karaokemaschine gesehen. Die Weiterentwicklung sind Spielekonsolen und ihr Zubehör, mit denen man Gitarre spielen kann, Drums oder Bass, was auch immer. Paßt gut in die Grundprämisse der Nullerjahre, nämlich Speed. Ein Musikinstrument zu lernen braucht sehr viel Zeit, einer müßte sich comitten und könnte nicht mehr ALLES machen. Es gäbe Opportunitätskosten, andere Trendaktivitäten (zB. Mountainbike, indoor Klettern) müßten aufgegeben werden. Und das geht ja wohl nicht, wo eine der Grundängste des Jahrzehnts ist, etwas zu verpassen. Alles wird virutell simuliert: Freunde, Sport, Geschlechtsverkehr - warum nicht auch Musik machen?

Google, YouTube, Napster, Wiki & Co.
Wie hat man das alles in den 1990er Jahren gemacht? Etwas nicht gewußt? In den Büchern blättern, jemanden fragen. Musik jetzt und sofort? Ins Geschäft gehen, bestellen, abholen. Filme? VHS, warten, bis sie im Fernsehen laufen, mehr sage ich nicht. Die Frage bleibt: was tun wir mit der gewonnenen Zeit, die wir vorher aufwenden mußten, um uns Inhalte zu besorgen? Richtig: noch mehr Inhalte konsumieren, noch flacher konsumieren. Schmähtandler ist in Teilen auch vom Sammelwahn (Zeitungsseiten, Ö1-Downloads) betroffen, versucht aber mittlerweile, Inhalte bewußt zu konsumieren.

Wärmepilze (Terrassenbeheizung)
Wohl der dümmste, der allerdümmste Trend, den es gibt. Gasbetriebene Heizlampen heizen offene Bereiche (Gastgärten, Terrassen), nur um die Freiluftsaison künstlich zu verlängern. Unglaublich.

Verunsicherung (Terror, Klimawandel, Börsenkrise, Globalisierung)
Ein schlaues Vorgehen der herrschenden Elite: zuerst läßt man dem Proletariat (zu dem sich auch Schmähtandler zählt) einen bescheidenen Wohlstand zu, den zu verlieren es sich dann fürchtet. Und mit dieser Angst und einer geeigneten Medienberichterstattung werden Eingriffe und Maßnahmen gerechtfertigt (z.B. "Kampf gegen den Terror"), die unerhört sind. Aber man gewöhnt sich an alles, oder wie ich immer sage: der Mensch reagiert nur auf die 1. Ableitung. In Ostösterreich tun wir das dann mit einem "Jo-jo" ab. Bestes Beispiel: was bleibt von 9/11? Jeder erzählt gerne, was er gerade an jenem Tag getan, wo er es zuerst erfahren hat, weit weg von Blut und Terroristen, von einstürzenden Hochhäusern.

Wellness, Yoga, grüner Tee, Selbstfindung
Gesundheit, die krank macht, so (oder so ähnlich) war unlängst der Titel einer Diskussionssendung. Das Abschalten vom Streß auf Kommando, der Befehl: jetzt entspanne Dich, los! Erhole Dich! SOFORT! Das kann mehr Streß sein, als ob man es sanft angeht. Daneben bringt es mich nicht um, wenn ich hie und da einen hebe. Genausowenig rettet es mich, wenn ich 51 Wochen im Jahr alles erdenklich Schlechte tue und eine Woche "wellnesse". Die Frage ist wieder, ob uns der Speed umbringt. "Entschleunigung" ist ebenfalls ein Wort, das dahingehend gerne gebraucht wird. Der Antitrend zu Wellness ist nichts tun. Nur gibt es dafür keine Werbung, weil niemand daran verdient. Selbst ist man Ende der 90er und Anfang des Jahrtausends diesen Trends auch leicht anheim gefallen. Aber man lernt ja aus sich selbst dazu (durch nichts tun).

Castingshows
Wieviel davon haben Sie ausgehalten? Starmania Staffel I? Ja, ich auch. Staffel II? Wow. Staffel XXXMVII? Woooow? Österreich sucht Top Model, Superstar, Musical Star? Mein Favorit: Österreich such den besten Gutmenschen. Dem Anmeldeformular legen Sie entweder (a) iPod Rechnung oder (b) iPhone Rechnung bei.

Billigflieger
Nette Sache, kleiner Schönheitsfehler mit SkyEurope. Schmähtandler hat in der gesamten Dekade (2000 bis 2009) 2 (in Worten: zwei) Flugreisen unternommen. Da nimmt man auch gerne den teuren Flug ;)

Kochen als Event, Kochsendungen, Jamie Oliver
Hierüber könnte ich mich stundenlang auslassen (auch schon beim Gutmensch Konzept getan), jedenfalls erleben wir hier auch Extremismus. Einerseits wird für das Eventkochen stundenlang keine Mühe gescheut (geschweige denn Kosten), andererseits fressen wir den Rest der Woche Müll, Fertigprodukte und Künstliches in uns hinein. Dem Gesellschaftswandel fällt auch die traditionelle Kochkultur anheim. Selbst meinte man auch in den 90ern, ausschließlich spanisch, mexikanisch, französisch, italienisch, asiatisch und griechisch kochen zu müssen. Jetzt erfreut man sich auch wieder an Rahmsuppe, Apfelstrudel und Gulasch.

Als Fazit könnte ich sagen: ja, ich habe allerhand von diesen Dingen mitgemacht. Besonders zu Beginn des Jahrtausends, bis dann eben der Sinneswandel kam. Ist ja auch nicht alles schlecht (bzw. so schlecht, wie ein rückwärts Gewandter das sieht). Nun testen Sie sich: welche Trends haben sie angenommen? Welche für sich "ver- oder hingebogen"? Welche fehlen Ihnen in der Auflistung? Kommentare gerne gefragt.

"Es begann in einer Katastrophe und wird in einer Krise enden"
"Sagen Sie nicht, sie wären nicht dabei gewesen"

Quellen:
  • ORF Radio Ö1, "Kontext" vom 18.12.2009 mit Verweis auf: Gillies, Judith-Maria (2009): Unsere Nullerjahre: Das Jahrzehnt der Bagels, Blogs und Billigflieger.
  • Moorstedt/ Schrenk (2009): Der Kult der Nullerjahre. in: DerStandard, Ausgabe 2.1.2010

Dienstag, 5. Januar 2010

Income statment full year 2009

Was haben wir in kultureller Hinsicht in diesem abgelaufenen Jahr nicht alles zu uns genommen! Vielem ist man ja nicht ausgekommen, manchen wollte man auch garnicht auskommen, etwa dem Jahresregenten Joseph Haydn. Hier meine eigene "Kulturbilanz":

Bestimmend sind vier Sachverhalte, die da wären, erstens: Irgendwann zu Beginn der zweiten Jahreshälfte ist mir der Knopf aufgegange und ich habe endlich erkannt, daß es für mich nur einen Radiosender gibt. Schon zuvor hatte ich täglich Ö1 gehört, aber dazwischen auch Popmusiksender. Aber dann bin ich restlos hineingekippt und könnte nicht mehr ohne mein Radio Ö1. Zum Zweiten habe ich diesen Block gegründet als einen weiteren in meinen hunderten Blocks. Obwohl zwar gemessen an jemandem, der wirklich schreiben kann, lächerlich schlecht, bin ichselbst garnicht unzufrieden. Da ist viel Inspiration angekommen und hier eingeflossen. Auch die neuen Genres, "Wortsalat" und "Erfundene Erzählung": damit habe ich mich vom Berichten mehr oder weniger wahrer Ereignisse weggetraut. Das Dritte ist, daß ich mir das Fernsehen praktisch abgewöhnt habe. Nicht die bewegten Bilder an sich! Filme schaue ich nach Download derselben am Computer an, Kino wäre auch noch möglich. Aber eben gezielt, und nicht "was gerade läuft". Durch dieses Setting, nämlich Ö1 und kein TV, ergibt sich, daß ich sehr viel weniger dem allgemeinen Schwachsinn Ö3´schen Zuschnitts (auch wenn ich sowieso seit 12 Jahren kein Ö3 mehr gehört habe) sowie der Werbung (ausgenommen Print/Plakat/POS) ausgesetzt bin. Das wiederum schärft die Wahrnehmung, und wenn man dann z.B. Werbung sieht oder Ö3 hören muß, dann vergeht man fast, ist aber zugleich kurios und entsetzt und wieder froh, wenn es vorbei ist. (Deshalb gehen der Harnoncourt und ich ja zum Hofer: dort gibt es keine Berieselungsmusik). Zum Vierten, wobei ich das teilweise schon länger betreibe, mache ich mir zu bewußt konsumierter Kulturnahrung (z.B. Bücher, Filme, Theater, Musik) Notizen oder sogar Kommentare hier im Block. Dann habe ich auch wieder begonnen, die Zeitung anzustreichen, was mir gefällt, ich lese den Kulturteil wieder zuerst, vor Schlagzeilen, Politik und Wirtschaft. Gerade so, wie in Studentenzeiten, habe mein Buch der schönen Wörter und Gedanken.

Natürlich ist für mich zu fragen, ob ich dieses Niveau (für mich schon sehr hoch) auch 2010 durchhalten werde können. Im Anschluß noch eine Übersicht über bewußt rezipierte Sachen, nicht viel, aber man hat ja auch allerlei anderes um die Ohren.

--- Bücher ---

Nooteboom, Cees (1999): Allerseelen. Bd.33 der SZ-Bibl., 378S.

Gogol, Nikolai (1835-42): Petersburger Geschichten. ~226S.

Lenz, Siegfried (1968): Deutschstunde. Bd.28 der SZ-Bibl., 490S.

Duras, Marguerite (1984): Der Liebhaber. Bd.49 der SZ-Bibl., 95S.

Simeon, Claude (1989): Die Akazie. Bd.22 der SZ-Bibl., 315S.

Stevenson, Robert L. (1883): Die Schatzinsel. 364S.

Röggla, Katrin (2006): Wir schlafen nicht. 220S., Kommentar: "Wer schläft schon?" hier.

Musil, Robert (1906): Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. 139S., Kommentar: "'Ich muß krank sein, wahnsinnig!'" hier.

Shem, Samuel (1978): The House of God. 419S., Kommentar: "Blood, Sex and Stethoscope" hier.


--- Filme --- (natürlich nur eine Auswahl, zu der es hier Kommentare gibt):

Vicky Christina Barcelona (2008), Kommentar: "Barcelona Vollgas" hier

In Bruges (2008), dt. "Brügge sehen ...und sterben?", Kommentar: "F***ing Brudge" hier

Erzähl mir was vom Regen (2008), Kommentar: "Sanfter Regen" hier

Breaking The Waves (1996), Kommentar: "Rauhe Wellen, Von Trier ganz zahm" hier

--- Bühne ---

Worst case (Katrin Röggla, 2009, Schauspielhaus), Kommentar: "No worse case" hier