"Die Erde rotierte, doch der Ort, wo das Pendel befestigt war, war der einzige Fixpunkt im Universum" (p.11)
Daß ein Pendel zurückschlägt, liegt in der Natur desselben; in meinem Fall hat es das aber wirklich. Vor ziemlich genau 10 Jahren habe ich Das Foucaultsche Pendel (Umberto Eco, 1988) erstmals gelesen und dabei anscheinend nicht viel mitbekommen. Sonst hätte ich nicht der Idee anheim fallen können zu meinen, Das Pendel sei nicht noch besser als Die Rose. Nur muß sich erst einer drauf einlassen.
Worin liegt mein Faszinosum in diesen achthundertirgendwas Seiten? Vermutlich will jeder Leser so sein wie Casaubon, vermutlich auch ich. Und dieses Hineintappen in etwas, das, von völlig harmlosem Ausgang, schließlich ganz und gar außer Kontrolle gerät: nicht daß ich mir so etwas wünschte oder gar anmaßte. Aber! Sich aus Fakten, aus nichts als Fakten etwas zusammenzimmern, sie neu anordnen, mit ihnen jonglieren, sie mißbrauchen, sie drehen, wenden, zusammensetzen, bis es paßt als Puzzlestein in den Großen Plan. Geht es dann doch nicht weiter, vertraut man dem Computer, dem lieben Abulafia, oder Bergen an Manuskripten entsprechend verrückter Hermetiker oder Illuminaten. Ganz am Ende werden die Konstruktionsregeln geoffenbart (p.796f), demnach (i) werden die Begriffe per Analogie verbunden, in Folge (ii) verifiziert, indem sich die Kette schließt (z.B. Kartoffel-Apfel-Schlange-Kringel-Rettungsring-Badeanzug-Meer-Schiff-Shit-Droge-Spritze-Loch-Boden-Acker-Kartoffel) und dabei ist (iii) zu beachten, daß die Verbindungen eben nicht zu originell sein dürfen, sondern zumindest ein mal, besser mehrmals von anderen so getan.
Das Buch ist ja von Deckel zu Deckel voll gespickt von direkt benannten Zitaten und noch viel mehr weniger bis nicht direkt benannten Verweisen, nicht nur zu Büchern: "Wie schwer ist es, ein Versteck [im Conservatoire Saint-Martin-des-Champs] zu finden, wenn die Verstecke Bilder einer Ausstellung sind." (p.19) Vielleicht ist es die Freude, hie und da so einen Verweis zu entschlüsseln, sich fast im Augenblick zu fühlen, wie einer der drei Lektoren. Nur eben ganz klein.
Gerade in Zeiten, wo man nichts mehr weiß und stattdessen alles Google zu entlocken meint; selten gebe ich Neid zu, aber an dieser Stelle... "Ich beschloß, mir einen Beruf zu erfinden: mir war aufgefallen, daß ich viele Dinge wußte, die alle zusammenhanglos nebeneinander standen, aber die ich in wenigen Stunden durch ein paar Bibliotheksbesuche ganz gut miteinander verbinden konnte" (p.291), und so erfindet er seine Agentur für Bildungsauskünfte. Casaubon bastelt sich natürlich einen Karteikasten, wo wir gleich bei "Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt" (Eco, 1977) sind, wo der Autor das eben genannte den angehenden Verfassern der Laurea rät.
Vielleicht faszinieren mich an diesem Buch auch die vielen Fundstellen, Weisheiten, die Atmosphäre in Pilades Bar, die Logik des Geheimbundes: je mehr man etwas abstreitet, desto mehr wird es für wahr gehalten und dessen Persiflage: "Ich habe mir aus Frankreich das Adreßbuch aller zur Zeit in der Welt existierenden Geheimgesellschaften kommen lassen" (p.343). Oder ist es Lorenza am Flipper? Oder dann doch die Dialoge. Oder ist es der arme Belbo, alles was er mitmachen mußte, alles wegen dem Baryton und dann doch sein Triumph post mortem aus dem verstaubten Schrank im Piemont.
Was für ein Buch! Und so schreiben die drei Verlagslektoren die Weltgeschichte neu, erklären von den Kreuzzügen bis zum Holocaust alles. "Der Plan ist wahr." (p.34)
Sonntag, 4. April 2010
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