Samstag, 2. März 2019

Das gewisse Etwas

Jetzt denkt mal eben nach. Wer von Euch kennt eine Holly Golightly? (Oder wer kennt keine) Wie ist so jemand? Selbstbewusst und jung, etwas unstet und sprunghaft, dabei so charmant und schön anzusehen, in der Lage, Männer um den Finger zu wickeln, vor allem in der Zielgruppe mit Geld und vierzig plus. Das sind die Mädchen, von denen man nie meinen sollte, dass sie das "Rote Elend" bekommen, wie es bei Capote heißt. Generell heißt es ja, Selbstbewusstsein sei für den Anwert von Männern überaus wichtig. Aber die Mädels, nach denen alle verrückt, und zwar völlig verrückt sind, die müssen mehr haben, als nur ein hübsches Gesicht. Und Selbstbewusstsein drückt sich ja in jeder Bewegung aus, in jeder Geste, in jedem Wort, in jedem Blick sogar. Aber das Selbstbewusstsein muss natürlich sein, angeboren quasi, und so selbstverständlich wirken, dass man an Widerstand garnicht denken würde. Es gibt nämlich auch die "False-self-confidentness". Selbsternannte Power Frauen, die mit jeder Menge Symbolen (Kleidung, veganenes bio bio Essen, Bildungsstatus) eine leicht agressive Haltung einnehmen: komm mir ja nicht zu nahe. Möglich, dass das garnicht notwendig ist. Und dann steht jemand beim Supermarkt bei der Kassa, äußerlich vielleicht garnicht in der Nähe des Top Models, Waren am Förderband, wo man zunächst sagt, na servus, ein winziges Nasenpiercing dazu - dabei aber eine Haltung, eine Art der Bewegung, eine Selbstverständlichkeit, wo dann die hochgebildete Nachhaltigkeitsperfektionistin unsichtbar wird daneben (und keine Abwehrbereitschaft mehr für Laserblicke haben muss). Das sind die Holly Golightlys von heute, mit Leichtigkeit, elegant.

Truman Capote: Frückstück bei Tiffany. SZ-Bibliothek Bd.51