Sonntag, 28. Juli 2019

Das System Ausbeutung seit 500 Jahren

Jean Zieglers Buch "Der Hass auf den Westen" macht, wie ich finde, eine ganz wesentliche Sache klar: auf diesem unseren Planten gibt es zwei Klassen von Menschen, wobei die eine ("Der Westen") der anderen viele Aspekte vom Menschsein abspricht. Dass ein Mensch im globalen Süden weniger Wert ist, wie einer des Westens, ist der rote Faden im Buch. Das wird zuerst beim Thema Kolonialismus klar. Niemand aus dem Westen entschuldigt sie für das, was hier abgegangen ist, obwohl man, wie Ziegler einmal ausführt, den II.Weltkrieg in Zahl der Toten jährlich hereinbringt. Die Pseudofreiheit, die dem Kolonialismus folgte, ist allenfalls ein Feigenblatt, wo man einheimisch-westliche Machthaber hinsetzt. Dass hier wenig Liebe zu den ehemaligen Herren vorhanden ist, darf nicht verwundern. Aber das Gesamtsystem ist ausgeklügelt. Egal was passiert, die Kluft wird nicht kleiner, egal welche Maßnahmen, der Westen schneidet immer mit. Jetzt kommt noch der Klimawandel hinzu, und klar, wen das zuerst und am stärksten betrifft...

Sonntag, 21. Juli 2019

Die Geruchsuhr Modell Grenouille

Das 21.Jahrhundert hat die Dominanz der Wahrnehmung durch Sehen und Hören noch wesentlich verstärkt. Eine Konsequenz dessen, so scheint es, ist, dass die anderen Sinne in den Hintergrund gedrängt werden. Zugleich aber wird der Geruchssinn durch starke, künstliche Gerüche abgestumpft, was zu noch weiterer Reduktion der Wahrnehmungsleistung führt (analog für Schmecken). Und dann haben wir da Jean-Baptiste Grenouille (Patrick Süskinds Das Parfum entsprungen), der riecht vereinfacht gesagt alles und kann über den Geruchssinn alles erkennen. Wie wäre so eine Fähigkeit heutzutage? In der U6 alles andere als lustig, man würde verrückt werden, obwohl Grenouille hat das Paris des 18.Jahrhunderts auch ausgehalten. Und immerhin ist in der U6 Kebap, Leberkässemmel und Pizzaschnitte verboten worden. Im Alltag könnte man erkennen, wer einen anlügt (klar: lügen riecht anders), wer nervös ist, wer gerade mit wem in Verbindung war, was es heute allerorts zu Mittag gab (so haben wir dann die drei genannten, olfaktorischen Spezereien wieder im Odeur der U6). Wäre garnicht so lässig, wenn man von einer Supernase völlig durchschaut wäre. Aber vielleicht kann ja die übernächste Google-Watch "Modell Grenouille" mit Riechsensoren das dann schon, in Verbindung mit Alexa wird das Ding dann frech: "Jetzt mach´ Dich nicht an wegen sowas. Schwitzer! Hey, die heiße Biene da drüben gefällt Dir wohl? Streit es nicht ab. Uh, ertappt, also wenn das ihre Uhr auch riechen kann, wird´s peinlich. Amason-Übertünchungsduft #4711 anwenden, automatische Chatanfrage,..." Umgekehrt kann die heiße Biene stets ihre Wirkung auf die Umgebung checken und bei Spitzenwerten (wo? natürlich in der U6) automatisch ein Update auf Insta hochladen (wo es von NeiderInnen geliked wird). Schöne neue Welt.

Patrick Süskind: Das Parfum.

Mittwoch, 17. Juli 2019

Ich, der Leser

Das ist klar, wenn sich einer sein ganzes Leben lang der Miniaturenmalerei hingibt, dann ist das alles für ihn. Und dass da auch mal ein Mord drinnen ist, wenn es Glaubenskonflikte in alle Richtungen gibt (was darf man, darf man Stil haben, darf man die Perspektive der Franken übernehmen). Als Leser von "Rot ist mein Name" ist die Perspektivfrage geklärt: jede Perspektive ist dem Autor recht. Man hat durch detailreiche Beschreibungen und Dialoge die Möglichkeit, sich in die Welt der osmanischen Miniaturmalerei einzuleben. Heute hat man den Eindruck, dass mehr denn je jegliche Überzeugung mit Geld aufzuwiegen ist. Prinzipien werden locker über Bord geschmissen, wenn der Bakschisch stimmt. Es ist irgendwie langweilig geworden so, oder?

Orhan Pamuk: Rot ist mein Name. (SZ Bibl.Bd.52)