Dort vorne, wo das graue, oben gleichmäßig perforierte Gehäuse in eine klare Frontscheibe übergeht, ist prominent die Bezeichnung "Dream Machine" eingelassen. Weil sie, oder sollte ich sagen: er, weitaus zu kompliziert für den alltäglichen Einsatz ist, steht der Weckerradio in meinem Büro am Fensterbrett, von wo aus er hinter sich einen nach den Jahren nicht mehr so atemberaubenden Ausblick verpaßt (abgesehen von Sonnenuntergängen im Herbst). Eine Traummaschine im Büro ist so eine Sache, aber träumen wird ja wohl noch erlaubt sein. Und er lieferte an jenem Donnerstag dem dreizehnten am Nachmittag (anmoderiert von der - schmacht - unsagbaren Teresa Vogl) Debussys Reflets dans l'eau aus den Images. Da wußte ich noch nicht, daß mir der Abend einen Reminiszenz daran bieten werde.
Im Konzerthaus Wien war nämlich Avishai Cohen. Nicht sehr gut vorbereitet und noch ganz eingenommen vom Ambiente (ja, der Saal hält, was das Foyer verspricht) war ich genauso schnell überfordert. Herr Cohen und seine beiden kongenialen Mitmusiker erzeugten Musik von einer Dichte, die mich schier überforderte. Ich meine, als Mensch vom Land hat man diese und jene Hörgewohnheiten. Man sucht ein Thema. Oder einen Groove. Oder was auch immer. Selbst eine Klangtapete von Debussy'schem Zuschnitt geht als solche rein. Aber ein Muster wie die drei da unten produzieren! Schon macht sich Angst breit, hier würde man einem Virtousenkult, einer Notenschlacht und Tonvergeudung anheim fallen, derer folgend man drei Tage Stille (John Cage mal x) bräuchte, um die Eindrücke halbwegs aufteilen zu können. Technokraten!
Aber das war nur die anfängliche Exposition. Mit den ersten weniger dichten Stellen, und erst recht mit den lyrischen, wurde das Konzert zu einem Erlebnis. Je mehr Bogen, desto besser. Beeindruckend auch die Gesangsstellen mit eigener Kontrabaßbegleitung und sonst nichts. Freilich, vom umgebenden Publikum vermutlich als verrückt angesehen, muß ich mehrmals grinsen, wo mir zum makellosen Helden Cohen der garnicht makellose, gleichsam Alter Ego, einfällt, nämlich Patrick Süskinds Kontrabassist, der biertrinkend ("Sie gestatten?") über den "Kasten" stolpert, und das nicht nur im Wortsinn.
Aber jeder findet eben etwas anderes in der Musik des Trios. Seien es Showelemente, Virtousentum, der Klang des Instruments (besonders der gestrichenen Saite), das Klaviersolo (sa-gen-haft), Metallicaassoziationen, Kontemplation oder Analyse.
Ichselbst möchte sagen, daß diese Musik Jazz für Fortgeschrittene ist und nicht einfach zu hören (für den Laien vom Land), obwohl ich auf der Suche nach interessanten Stellen und traumhaften lyrischen Stellen (Dream Machine diesmal mit vier Saiten und zwei F-Löchern) durchaus fündig wurde und mit dem Kopf voll Musik in die Nacht ging, natürlich auf der Suche nach dem vorenthaltenen letzten Ton.
Freitag, 14. Oktober 2011
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