Donnerstag, 6. August 2020

Kein Lercherlschas (Wien 1919)

Krimis, die eher für eine breite Leserschaft geschrieben werden, verwenden oft eine Teilmenge von recht bekannten Handlungselementen (z.B. der Kommissar gerät selbst in Verdacht; er kooperiert mit weniger gefährlichen Bösen,...) und bringen somit nicht viel Neues. Auch die Psychogramme des jeweiligen Kommissars muten auch langsam "fertig" an: man spürt förmlich, wie die AutorInnen versuchen, aus der Menge der Macken, die es so gibt, möglichst skurrile zu kombinieren. (Hier schreit es freilich nach einer Datenbank, welche die beiden Mengen beinhaltet und per Zufall das Gerüst einer Krimi-Kommissar-Relation ausgibt. Umberto Ecos Schriftstellerautomat kommt mir da in den Sinn.)

Wo noch viel geht, ist der weitere Kontext, Charaktäre, Hintergründe, Orte und Zeit. Alex Beer, sie hat hier ein ganz spezielles Kapitel österreichischer Geschichte aufgeschlagen, nämlich die Zeit unmittelbar nach der Niederlage des I.Weltkrieges in Wien. Mit gehörig viel Lokalkolorit (kann es zu viel sein?) und auch sprachlich (der "Lercherlschas" kommt tatsächlich vor) sowie auch in sozialer Hinsicht hat sie sich hier eingearbeitet und nimmt den Leser mit. Natürlich: die Kanalisation Wiens nach Kriegsende, klingt schon nach Dritter Mann, dafür Kriegsverbrechen während des I.Weltkrieges - ist einmal ein Denkanstoß, den man so nicht sofort hat. Etwas abgegriffen auch schon der Rückgriff auf die Offenbarung des Johannes im Titel. Aber gesamt eine gelungene Unterhaltungslektüre.

Alex Beer: Der zweite Reiter.

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