Er: Kenne sie das, wenn man mit einigen Aspekten wenig geliebter Vergangenheit abgeschlossen hat und diese dann wieder aufzucken in ganz konkreten Situationen, was einen bitteren Geschmack hinterläßt? Früher sei es ihm oft (oder eigentlich nur) so ergangen. Er habe, meine er, ein nuanciertes Wahrnehmungsvermögen dafür, ob in einem Gespräch, ob in einer Situation so etwas wie ein Gleichgewicht vorhanden sei, oder ob er (bzw. der/die ander/e, das ist nur eine theoretische Option) immer aktiv sein müsse, immer dafür Sorge tragen müsse, Gespräche fortzuführen, ob er aufdringlich sein müsse, ob er nur höchst schwer durchkomme mit seinem Sud. Freilich, meine sie jetzt, einer müsse schon bereit sein, nachzulaufen, hinterher zu sein, sich anzudienen, Geduld zu zeigen. Aber davon habe er schon genug. Er meine jetzt, er wisse längst, daß er beim Durchschnitt nicht ankomme. Das gehe keinesfalls. Nun, auf der freien Wildbahn, so ließe sich nach zuletzt konstantieren, da komme er auch bei der Elite nicht an. (Wo er, im Einzelgespräch, wo Elitenopfer nicht einfach auskönnen, angebunden sind, dann doch meinte, sogar Elitenmenschen zeitweilig zu unterhalten. Was scheinbar eine Illusion ist.)
Chor der Elite: Er übertreibe, wie immer - immer höre er das Gras wachsen, sei viel zu überempfindlich.
Er: Natürlich könne es auch so dargestellt werden. Aber nur zwei Tage später mußte er sich anhören (mußte!), daß er (und ein Companion seiner) "Entertainer"-Qualitäten habe. Das müsse sich einmal jemand auf der Zunge zergehen lassen: er, ein Entertainer! Anscheinend brauche er Situationen, wo seine Gegenüber nicht wegkönnen und keine Alternative haben. Eine Bühne, einen Dialog 1:1, da kann er punkten. In der freien Wildbahn, da sei der dem Verhungern preis gegeben.
Chor der Elite: Er übertreibe (schon wieder), er, ein Entertainer, das ist dann ja doch zu hoch eingeschätzt. Er finde eine Mitte.
Er: Vermutlich sei sein Problem, daß er die Flucht aus der Mitte nach oben antreten habe wollen, wo er doch bei seinen Leisten bleiben sollte und sich mit der Bodenbildung zurechfinde. Er sei jedenfalls hin und her gebeutelt und froh, daß es manchmal auch aufwärts geht in dieser Achterbahn.
Montag, 16. August 2010
Donnerstag, 5. August 2010
Blue as Rosie
Er (zu sich: Wahrlich wie weich!), dann an SIE gerichtet: "Wow, Dein Blick gleicht dem von Rosie Calogero."
SIE (unsicher, aber noch mehr durch die geweckte Neugier getrieben, wie jede, die etwas über sich erfährt, gerade wenn es um die Augen geht): "Wer?"
Er: "Ich will Dich nicht langweilen."
Sie: "Das tust Du nie."
Er: "Gut, ich lasse nun all die Floskeln und das weite Ausholen. Wobei, schade, ich hole gerne weit aus" (kurze Pause) "Rosie Calogero ist eine Romanfigur in dem Buch, das ich gerade lese. Sie ist von anfang an schon tod..."
Sie: "Na super"
Er: "...und trotzdem im Verlauf des Buches ständig präsent. Beziehungsweise kann man sagen, " (und dabei hebt er theatralisch wie immer in zwei Zehntel Sekunden den Arm, was ihr noch nicht einmal eine müdes Zucken des Augenlides wert ist, weil sie all das schon so minutiös kennt) "sie nimmt stellenweise eine, die weitere Handlung erklärende bis teils bestimmende Rolle ein, und sie taucht für eine Tote erstaunlich oft auf. So in Zeitsprüngen."
Sie: "Was war das noch mal für ein Buch?"
Er (ohne seinerseits mit einem Augenlid angesichts der Tatsache zu zucken, daß sie nach zwei, einen, drei - er weiß es nicht - Gesprächen sich nicht gemerkt hat, woran er kiefle): "Weißt eh, das neue Buch von ..., nämlich ..."
Sie (ohne daß er sagen hätte können, ob das einzuordnen sei als Verlegenheits-ah oder doch als Erinnerungs-ah): "Ah!"
Er würde sich jetzt erwarten, daß sie anschließe mit dem Fragen danach, wie denn nun die Augen von Rosie seien, das würde er, wenn er nicht längst gelernt hätte, das selbst ausgesprochen kluge Menschen nicht zurande kommen mit seiner maßlos ausufernden Art, vom Rand des Universums zum Kern der Sache über zig Umwege zu kommen, wo es so schon so weit ist: da muß ja der Faden reißen. Und weil er das erkannt hat, wartet er nicht auf die Frage, sondern konjunktiert mit einem "Naja, " und weiter "wie gesagt" (eines seiner Lieblingsworte, um sich wieder und wieder zu vervielfältigen) "das hat mich an die Beschreibung vom Blick im Buch erinnert".
Sie: "Ah, und wie schaut Rosie?"
Er: "Das Blau ihrer Augen wird beschrieben anhand eines schwarz-weiß Photos mit 'lethal-blue', wenn ich mich nicht ganz täusche, und das käme kurioserweise im schwarz-weiß Bild so richtig zu tragen. Heißt es."
Sie: "Ich habe tödlich blaue Augen??"
Er: (sich leicht vorbeugend und zusammenknickend, so als ob er einen Schritt nach vor tun wollte und dann doch nicht) "So würde ich das nicht sagen. Sie hat ja niemanden umgebracht. Im Buch jetzt. Im Gegenteil, sie hat sogar zwei Männer zu Freunden gemacht - " (Er entschuldigt sich in der Annahme - wie immer - daß man ihn jetzt nicht abwürgen werde) " - da muß ich jetzt weiter ausholen. Wenn´s Dich interessiert"
Sie: "Ja, sicher"
Er: "Also. Ihr Mann bzw. der Vater ihres Kindes, der Koch, der ist jünger als sie. Dann gibt es noch einen Holzarbeiter, einen Logger, einen sehr männlichen Typen ihres Alters. Der ist des Lesens nicht mächtig und nimmt bei ihr Unterricht. Wo dann später rauskommt, daß er sich von ihr nur vorlesen hat lassen, und vorlesen, das ist bei diesem Holzarbeiter so was wie ein Vorspiel. Nun knallt dann der Koch, nachdem ihm seine Frau das eröffnet hat - allesamt betrunken - dem ihm körperlich klar überlegenen Holzarbeiter, Ketchum heißt der, eine mit dem 8-inch Skillet. Ein gußeisernes Pfandl. Sie stellt dann klar, daß sie entweder beide weiter lieben werde und sie beide sich nicht nur vertragen sondern auch gegenseitig aufeinander acht geben müssen, oder daß sie jetzt sofort gehe. Sie kommt dann um, ebenfalls recht kurios. Aber das ginge jetzt zu weit, sonst erzähl ich gleich fünfhundert Seiten nach."
Sie: "Ich habe keine zwei Männer"
Er (führt seine ortsüblich Geste vor, wenn er vergeht, er knickt zusammen und macht dabei einen Schritt zurück, verdreht die Augen und stöhnt mit kräftigen Ausatmen tonlos "Nein! Das mein ich ja nicht. Übrigens war heute im Radio, weil´s jetzt als anderes Extrem dazupaßt, Ariadne auf Naxos zu hören, so schön, daß ich beinahe nicht mehr weiterfahren konnte. Dabei geht´s..."
(Just klingelt ihr Telefon, sie müsse jetzt dringendst minderwertige Tätigkeiten vollführen).
Sie geht ab.
Er steht noch da, denkt über den schönen Gesang nach, und wie die Geschichte der Verlassenen - also woher zwei, sondern gar keinen zu haben - in seinem ewigen Erzählreigen anschließen könnte. Und daß in seiner Rollenverteilung von Betrügender/em, Betrogener/em und Dritte Person im Betrug auch noch die Rolle der/s Verlassenen hinzukäme. Quasi für seine Landkarte an Rollen, die man möglicherweise zeitlebens je inne hatte, wo man schon seine Fahne pflanzen müsse, ob man jemals betrogen hat oder wurde, verlassen hat oder wurde. Haben oder werden. Ich tue und man tut mir. Aktiv, passiv, oder keine Rolle, Langeweile. Er steht noch immer da.
SIE (unsicher, aber noch mehr durch die geweckte Neugier getrieben, wie jede, die etwas über sich erfährt, gerade wenn es um die Augen geht): "Wer?"
Er: "Ich will Dich nicht langweilen."
Sie: "Das tust Du nie."
Er: "Gut, ich lasse nun all die Floskeln und das weite Ausholen. Wobei, schade, ich hole gerne weit aus" (kurze Pause) "Rosie Calogero ist eine Romanfigur in dem Buch, das ich gerade lese. Sie ist von anfang an schon tod..."
Sie: "Na super"
Er: "...und trotzdem im Verlauf des Buches ständig präsent. Beziehungsweise kann man sagen, " (und dabei hebt er theatralisch wie immer in zwei Zehntel Sekunden den Arm, was ihr noch nicht einmal eine müdes Zucken des Augenlides wert ist, weil sie all das schon so minutiös kennt) "sie nimmt stellenweise eine, die weitere Handlung erklärende bis teils bestimmende Rolle ein, und sie taucht für eine Tote erstaunlich oft auf. So in Zeitsprüngen."
Sie: "Was war das noch mal für ein Buch?"
Er (ohne seinerseits mit einem Augenlid angesichts der Tatsache zu zucken, daß sie nach zwei, einen, drei - er weiß es nicht - Gesprächen sich nicht gemerkt hat, woran er kiefle): "Weißt eh, das neue Buch von ..., nämlich ..."
Sie (ohne daß er sagen hätte können, ob das einzuordnen sei als Verlegenheits-ah oder doch als Erinnerungs-ah): "Ah!"
Er würde sich jetzt erwarten, daß sie anschließe mit dem Fragen danach, wie denn nun die Augen von Rosie seien, das würde er, wenn er nicht längst gelernt hätte, das selbst ausgesprochen kluge Menschen nicht zurande kommen mit seiner maßlos ausufernden Art, vom Rand des Universums zum Kern der Sache über zig Umwege zu kommen, wo es so schon so weit ist: da muß ja der Faden reißen. Und weil er das erkannt hat, wartet er nicht auf die Frage, sondern konjunktiert mit einem "Naja, " und weiter "wie gesagt" (eines seiner Lieblingsworte, um sich wieder und wieder zu vervielfältigen) "das hat mich an die Beschreibung vom Blick im Buch erinnert".
Sie: "Ah, und wie schaut Rosie?"
Er: "Das Blau ihrer Augen wird beschrieben anhand eines schwarz-weiß Photos mit 'lethal-blue', wenn ich mich nicht ganz täusche, und das käme kurioserweise im schwarz-weiß Bild so richtig zu tragen. Heißt es."
Sie: "Ich habe tödlich blaue Augen??"
Er: (sich leicht vorbeugend und zusammenknickend, so als ob er einen Schritt nach vor tun wollte und dann doch nicht) "So würde ich das nicht sagen. Sie hat ja niemanden umgebracht. Im Buch jetzt. Im Gegenteil, sie hat sogar zwei Männer zu Freunden gemacht - " (Er entschuldigt sich in der Annahme - wie immer - daß man ihn jetzt nicht abwürgen werde) " - da muß ich jetzt weiter ausholen. Wenn´s Dich interessiert"
Sie: "Ja, sicher"
Er: "Also. Ihr Mann bzw. der Vater ihres Kindes, der Koch, der ist jünger als sie. Dann gibt es noch einen Holzarbeiter, einen Logger, einen sehr männlichen Typen ihres Alters. Der ist des Lesens nicht mächtig und nimmt bei ihr Unterricht. Wo dann später rauskommt, daß er sich von ihr nur vorlesen hat lassen, und vorlesen, das ist bei diesem Holzarbeiter so was wie ein Vorspiel. Nun knallt dann der Koch, nachdem ihm seine Frau das eröffnet hat - allesamt betrunken - dem ihm körperlich klar überlegenen Holzarbeiter, Ketchum heißt der, eine mit dem 8-inch Skillet. Ein gußeisernes Pfandl. Sie stellt dann klar, daß sie entweder beide weiter lieben werde und sie beide sich nicht nur vertragen sondern auch gegenseitig aufeinander acht geben müssen, oder daß sie jetzt sofort gehe. Sie kommt dann um, ebenfalls recht kurios. Aber das ginge jetzt zu weit, sonst erzähl ich gleich fünfhundert Seiten nach."
Sie: "Ich habe keine zwei Männer"
Er (führt seine ortsüblich Geste vor, wenn er vergeht, er knickt zusammen und macht dabei einen Schritt zurück, verdreht die Augen und stöhnt mit kräftigen Ausatmen tonlos "Nein! Das mein ich ja nicht. Übrigens war heute im Radio, weil´s jetzt als anderes Extrem dazupaßt, Ariadne auf Naxos zu hören, so schön, daß ich beinahe nicht mehr weiterfahren konnte. Dabei geht´s..."
(Just klingelt ihr Telefon, sie müsse jetzt dringendst minderwertige Tätigkeiten vollführen).
Sie geht ab.
Er steht noch da, denkt über den schönen Gesang nach, und wie die Geschichte der Verlassenen - also woher zwei, sondern gar keinen zu haben - in seinem ewigen Erzählreigen anschließen könnte. Und daß in seiner Rollenverteilung von Betrügender/em, Betrogener/em und Dritte Person im Betrug auch noch die Rolle der/s Verlassenen hinzukäme. Quasi für seine Landkarte an Rollen, die man möglicherweise zeitlebens je inne hatte, wo man schon seine Fahne pflanzen müsse, ob man jemals betrogen hat oder wurde, verlassen hat oder wurde. Haben oder werden. Ich tue und man tut mir. Aktiv, passiv, oder keine Rolle, Langeweile. Er steht noch immer da.
Abonnieren
Posts (Atom)