Samstag, 27. Dezember 2014

Aller Anfang ist leicht

Ein Buch über das Lesen, noch dazu vollständig durchkonstruiert und mit jeder Menge direkter Ansprache meiner, also des Lesers: und trotzdem fesselnd genial. Lauter Anfänge, einer spannender als der andere. Und keiner wird je fortgesetzt. Aber das ist das Schema: eine Rahmenhandlung, die zunehmend skurriler wird, in einem Maße, wie wir sie auch einem anderen Autor, der von Burkhart Kröber übersetzt wird, nämlich U.E. zutrauen würden. Und dann jeweils das erste Kapitel. Und wundersam, durch Druckfehler, Verlust, Diebstahl, Beschlagnahmung - immer ist das zweite Kapitel und der Rest nicht zugänglich. Und dann am Ende, das dicke Ende: die Titel der Bücher hintereinander ergeben wieder den Anfang eines Buches. Nicht daß der Autor mit seiner Intention hinter dem Berg halten würde (Seite 208 erklärt er, daß sich jeder Roman erschöpft und in den ersten Seiten alles gesagt sei). Interessanter Gedanke! Damit entläßt man den Leser damit, sich selbst etwas auszudenken. Gewiß haben unzählige Hobbyautoren Werke wie das "Weichbild von Malbork" oder "Ohne Furcht vor Schwindel und Wind" fortgesetzt. Sehen wir doch einfach mal beim Universaltrödler Amazon nach. Anscheinend sind all diese Werke verschollen. Bis auf das erste Kapitel natürlich!

Italo Calvino: Wenn ein Reisender in einer Winternacht.

Donnerstag, 13. November 2014

Haas ohne Brenner

Man nehme einen Buchtitel, unter dem man sich wenig vorstellen kann, der aber jedenfalls auffällt, sagen wir "Die Verteidigung der Missionarsstellung". Dann noch einen Autor, den man ob seiner Brenner Romane liebt. Und dann läßt man sich kräftig überraschen. (Ich gehöre zu jenen Lesern, die über ein Buch vorweg nichts wissen wollen. Ich lese nicht mal den Flappentext.Ist so eine Marotte von mir). Und es startet gleich mit einem spritzigen Dialog mit Sachen, die Ben fast gesagt hätte. Noch ist man naiv. Doch dann biegt der Text auf Seite 19 ab. Und damit startet eine Reihe von Elementen, die den Text selbst als Gestaltungselement einbeziehen. Ganz toll der Fahrstuhl! Zugegeben, das hab ich erst beim dritten Anlauf kapiert. Auch seitenweise chinesisch, ganz toll. Das mit der Metasprache wird da sehr wörtlich genommen, aber Platz im Buch wird eingespart, indem die endlosen Beschreibungen des Hintergrunds mit Anweisungen an den Autor selbst in eckigen Klammern, wie er es später machen sollte, auf ein stichwortartiges Minimum beschränkt werden. Die Rede mit dem Leser ist ohnedies ein weiterer Gegenstand, etwas, das ich in größerer Dichte an sich nicht so toll finde. Aber Haas hat es geschafft, trotzdem nämlich!, eine coole, witzige Story voranzutreiben, die vor Ironie und Wortwitz nur so strotzt.

Wolf Haas: Verteidigung der Missionarsstellung.


Mittwoch, 12. November 2014

Sch_sgebote

"Schoßgebete" war vor einigen Jahren in aller Munde, weswegen ich nicht lange überlegte, als ich es im Buchregal unter "DR.ROC" entdeckte . Von der Autorin von "Feuchtgebiete" wußte ich schon, daß man sich auf einiges gefaßt machen mußte. Aber irgendwie kam ich mit dem Buch nicht zurande. An Fundorten läßt sich anführen: Erotik und Partnerschaft aus Sicht der Frau, eine psychisch massiv gestörte Frau, die Darstellung moderner Strömungen/Stöhrungen (Kindererziehung, Essen, Therapie, Religion) und der Unfall.
Obgleich die Bereiche verwoben sind und jeweils eines das andere oder der Unfall alles erklärt, hat mir das Buch bis zur letzten Seite nicht klarmachen können, wohin die Richtung geht. Ebenso ist die sehr einfach gehaltene Schreibweise einer Themenvielfalt solcher Kraft auch nicht angemessen. Der Text nimmt sich vor dem Inhalt völlig zurück, und dafür gibt der Inhalt dann auch nicht genug her. Vermutlich, um aus den Gegenständen einen Gegenstand zu gießen, hätte es deutlich mehr Umfang bedurft. Frau Roche hat den Teig nicht lang genug gerührt, er ist bröselig! Aber mir drängt sich ja der Verdacht auf, daß hier für den Verkauf geschrieben wurde, nicht für den Leser. Denn Aufmerksamkeit generiert wurde mit der Erotikkomponente, und diese war nicht buchfüllend, also wurde Elizabeth zur völlig Verrückten gemacht und eingebaut, was die Autorin an ihren sehr heutigen Freundinnen stört.

Charlotte Roche: Schoßgebete.

Dienstag, 11. November 2014

Breaking Good!

Grundsätzlich: ich kann Fernsehserien nicht leiden. Seit Magnum, Model und der Schnüffler und McGyver habe ich keine Serien mehr halbwegs durchgehalten. Und dann bin ich per Zufall über die ORF Vorschau für eine neue Serie gestolpert, und es klang interessant: Chemielehrer mit Lungenkrebs kommt vom rechten Weg ab. Also schau ma, dann sehn wir. Und so kippt man rein. Nicht gleich, ein paar Folgen lang fühlt man sich unnötig auf die Folter gespannt, doch dann beginnt der Serieneffekt zu greifen, man kippt förmlich rein.

Der Erfolg liegt ja nicht in der Handlung alleine: wo immer das Schlimmste geschieht, meist gleich parallel auf mehreren Fronten (Jesse, Hank, Skyler, Kartell, Gus) oder wenn es einmal positiv läuft, schwingt stets mit: der Schein trügt. Geht es zu glatt, greift der Zufall: nach dem erfolgreichen Bahnraub vermiesen die letzten Sekunden und Todd´s Tat den Schluß. Die Wahl des Erzähltortes ist überaus klug gewählt, denn die Kraft der dort erzielbaren Bilder ist mächtig. Fein auch, wie der Seher dahin erzogen wird, auf jedes Detail zu achten. Eine Einstellung für eine Sekunde zu lang regt Verdacht. Mit Lob für die Komposition der Charaktäre werde ich hier ohnehin nicht fertig. Jede und jeder für sich, Jesse, Skyler, Walt junior, Hank, Marie, Gus.

Ich bin beim Sehen dem Tempo des ORF treu geblieben, heißt, zwei Folgen pro Woche. Damit hat sich der Effekt noch verstärkt, da die dichten Folgen sechs Tage Zeit zum Setzen hatten. Über Monate hatte ich mir solcherart ein Ritual angeeignet, und nun ist Schluß. Ich falle in ein Loch!




Dienstag, 30. September 2014

Rumba ohne Zicken

Sofort ins Auge gesprungen ist mir bei dieser Rumba, daß der Hauptdarsteller keine, sagen wir: praktisch keine Zicken macht. Die Bekanntschaft von weiß ich wie vielen Kommisaren haben wir schon gemacht, und die meisten hatten auch ohne Fall genug mit sich selbst zu tun, genug Probleme am Hals. Man mußte ja schon froh sein, wenn sie nur Säufer waren, mit der Klientel ins Bett gingen, ein paar Drogen nahmen, das Gesetzt hie und da dehnten und die Vorschriften für Vorschläge hielten. Denn die Ärgeren haben parallel agiert, waren Kriminelle und Kieberer zugleich. Marc Vanhagen zankt sich ein wenig mit seinem ungeliebten Kollegen rum, aber das war´s schon. Sonst ist er nur Ermittler und Familienmensch.

Trotzdem oder vielleicht deswegen ist der Thriller von Harald Friesenhahn lesenswert. Er schmückt auch keine Szenen unnötig aus oder führt seitenlange innere Dialoge, auch die Sprache macht sich nicht wichtig. Diese Geschichte ist einfach geschickt angelegt und wird durch das Tempo getragen. Durch zwei Handlungsströme, einer in einer bekannten Region, Wiesen (kein Erdbeermord!) und Umgebung, und ein Thermenort namens Erlachberg (nicht schwer zu erraten), der andere im Kongo. Es dauert lange, bis die beiden Handlungen zueinander finden. Aber die abwechselnde Erzählform mit scharfen Cuts hält die Spannung aufrecht: was hat der Wiesen-Mord mit dem Kongo zu tun?

Bleibt zu sagen: Trocken, aber gut!

Harald Friesenhahn: Rumba Congolaise.