Samstag, 11. Juni 2016

Im Brackwasser bis zum Hals

Es sind derlei keine einfachen Abschnitte im Leben eines Mannes. Der zweite, wenn die Manneskraft wieder nachläßt und ausgeht, erzeugt bekannte Allüren. Aber der erste ist noch schwieriger. Alles dreht sich, er ist kein Kind mehr, aber auch noch kein Mann. Wirres vermischen der beiden erzeugte eine große Unsicherheit, die in allen denkbaren Exzessen ausgelebt wird (Allüren sind dagegen nur nette Ausfallschrittchen). Dabei gelangt er unter die Räder, weil gerade in jungen Jahren Männer den Frauen stets unterlegen sind. Junge Männer sind so einfach zu durchschauen und zu steuern, Spielzeug in den Händen gleichaltriger Mädchen. Die Mädchen können wählen und bei Bedarf ihren Radius im Alter ausdehnen. Oder wenn Mädchen stundenlang mit Freundinnen abhängen und reden. Was müssen sich die Burschen da einfallen lassen an Blödsinn. Genau dieses Brackwasser aus Kind sein und Erwachsen sein durchlebt Jack in "Der Zementgarten". Mit der Mutter in Beton im Keller wird der ausgefeilten Darstellung noch ein roter Faden mitgegeben. Eine kräftige Lektüre zu Beginn, am Ende - und dazwischen. Nur nicht untergehen!

Ian McEwan: Der Zementgarten. Sz-Bibl.Bd. 31

Freitag, 3. Juni 2016

Laotisch chaotisch mit Prise Schmäh

Krimis gibt es wie Sand am Meer. Unsere Bibliothek ist halb voll damit, und es quillt und quillt und quillt. Es gibt anscheinend mehrere Zugänge für einen Krimi. Beliebt sind Serien mit vertrauten Gesichtern und neuen. Dann welche mit Lokalkolorit auf österreichisch zum Beispiel. Dann die politischen, die brutalen, die modernen. Die Idee von Cotterill, seinen Helden ins kommunistische Laos von 1976 zu versetzen ist schon mal gut. Daß er dann noch mit über siebzig eine neue Stelle als Pathologe annimmt - fein. Auch die Story ist gut gemacht - bis es dann ab in den Dschungel geht und die übersinnlichen Sachen ins Spiel kommen. Und dann gibt es auch noch (zu) viele "Wohlfühlmomente". Auch der Parallellauf von zwei Verbrechen ist etwas gewöhnungsbedürftig. Aber zumindest kann man nicht sagen, das Buch wäre schmähentleert. Aber ich bin kein Serienfan, also werde ich die bunten Buchrücken mit dem gebückten Siri im Regal lassen.


Collin Cotterill: Dr.Siri und seine Toten.

Donnerstag, 2. Juni 2016

In diesem Treibhaus gedeiht zumindest der Text



Wenn der Anspruch, den ein Buch an einen Leser stellt, auch noch Freude bereitet, dann muß es schon gut gelungen sein; denn seien wir ehrlich: wieviel Spaß macht ein Buch, wo man sich vor lauter Anspruch durchquält, nur um sich zu beweisen, daß man (auch) Anspruchsliteratur verträgt. (Natürlich gibt es inzwischen der zwei Polen endlose Weiten) Nebst ausgefeiltem Wortgebrauch ist auch das Thema des „Treibhauses“ von Koeppen klassisch angelegt und doch nicht allerweltlich. Die Beziehung der Innenwelt eines Menschen, der von Keethenheuve, zur Außenwelt, zu einem Deutschland, das langsam und unter gewaltigem Ächzen nach dem Krieg wieder aufsteht. Wo sich die vorher Etablierten wieder etablieren. Die Gutgläubigkeit und der positive Impuls, den Keethenheuve von Außerhalb mitgebracht hat, verflüchtigt sich da rasch.


Wolfgang Koeppen: Das Treibhaus. SZ-Bibl. Bd.27