Mein Kopf schmerzt. Er hämmert, er pocht. Der Brechreiz will nicht weggehen, nicht einmal der Gedanke an ein belegtes Brot kann helfen. Kurz, es ist die "ohnmächtigste und schmachvollste Zeit im Leben meines Volkes - o Zeit zwischen Morgendämmern und Öffnung der Geschäfte". Wer sich mit Wenedikt Wenitschka auf die Reise vom Kursker Bahnhof nach Petuschki macht, wird schon beim Lesen stockbesoffen. Je weiter man vorankommt (im Köfferchen neben den belegten Broten auch 2 Flaschen Kubanskaja, zwei Viertel Rossijskaja (zu je nur 1,64 Rubel!) und einen hochprozentigen Rosé), desto kurioser und grotesker schweift der Text aus, genau so, wie der gute Wenitschka (anfangs noch im inneren Dialog mit den Engeln) säuft. Erst Erzählungen, dann die Runde Geselliger im Abteil, die beim Saufen alle den Kopf zurückreißen wie der Pianist bei der Zugabe auf die Etüde in CIS- (sic!) -Moll von Franz Liszt. Ausführungen über fremde Länder folgen - stets mit dem nötigen Ernst für Politisches, der dem gebildeten Säufer anhaftet, unterbrochen vom Oberschaffner Semjonytsch (wir wissen: ein Gramm pro gefahrenen Kilometer), weiter zu Wahnvorstellungen und einem tragischen Ende.
Mirselbst gefällt zu vordererst auch der Bezug zur Telefonkabelverlegung durch die staatliche Stelle mit jeder Menge Dienstfreizeit, die ein jeder nutzt, wie er meint: "der eine trank Wermut, ein anderer, etwas Einfacherer, Eau de Cologne 'Frische', und einer mit höheren Ansprüchen saß auf dem internationalen Flughafen Scheremetjewo und trank Cognac." Verdammt, das kommt mir bekannt vor. Insgesamt wird es für das Schreiben des Buches, das ich sehr empfehlen kann, nicht gereicht haben, anderen Tschecheranten Gehör zu schenken. Der Gute Wenedikt muß hier allerlei praktische Erfahrungen und Experimente am eigenen Leib mitgemacht haben (natürlich nur im Dienste der Literatur, versteht sich!), sonst könnte er den Tagesablauf eines Säufers bis zum völligen Abwinken nicht SO beschreiben. Prost!
JEROFEJEW, Wenedikt: Die Reise nach Petuschi. Ein Poem. 1973
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