Der Mensch ist eine wandernde Spezies. Erst die letzten paar tausend Jahre ist er domestiziert worden (oder er hat sich selbst...) Der Körper ist freilich in lächerlichen 100, 200 Generationen noch nicht nachgekommen. Bruce Chatwin singt in seinen Traumpfaden ein Hohes Lied auf die Rastlosigkeit, die Stärke des Beweglichen vor dem Hintergrund von Australien und seiner Ureinwohner zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Der gute Mann hat sicher Recht, aber dennoch muß man den Begriff des Reisens reinterpretieren. Denn heute ist Reisen gleich Urlaub gleich Unterhaltung gleich Konsum gleich einem Element einer globalen Subkultur, gleichauf mit Kleidung, Einrichtung und all den anderen Zeichen, mit denen sich der Einheitsmensch durch Auswahl als etwas Individuelles fühlen soll. Für Reisen im Sinn von Chatwin ist heute keine Zeit mehr, und zudem stammt Travel von travail, lernen wir in diesem Buch, was soviel heißt wie Arbeit, Strapazen, Mühsal, Leiden. In einem Prospekt für die aktuellen Reisetrends machten sich solche Eigenschaften gar nicht gut aus.
Und die Songlines heute? Sind das jene kollektiven Erfahrungen, auf die uns die digitale Medienmaschinerie einlullen will? Denn wie lernt der Aborigine seine Songlines? Hören und Nachsingen. Vielleicht sollte das zu Fuß gehen wieder en vogue werden, Zeit zum Reden und Nachdenken, und für die eigenen Songlines des Lebens.
Chatwins Roman mag für mich, der gerne Handlungen oder Stimmungen in Büchern vorfindet, eher wie ein riesiges Häppchenbuffet wirken - und von Häppchen wird man niemals satt - aber zum Nachdenken regen die vielen Fundorte allemal an.
Bruce Chatwin: Traumpfade. Sz-Bibl.Bd.37
Dienstag, 29. November 2016
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