Welche Herangehensweise haben Sie an Bücher? Lesen Sie zuerst den Klappentext, das "what´s it all about". Oder wollen Sie unvorgefaßt den Weg selbst beschreiten, ohne Einsager, worauf Sie achten sollen. Und dann gehen Sie los. Worauf schauen Sie zuerst? Sie wollen wissen, worum es hier eigentlich geht. Ich zumindest will das immer. Je nach Buch eröffnet sich das sehr rasch, nach einigen Seiten ist man im Weingarten des Textes angekommen, und man kann sich neben dem Weg und dem Ziel auch auf die Trauben stürzen. Was aber, wenn Sie vor lauter Trauben keinen Weg sehen, wenn Sie umher irren, ziellos und überall sind Trauben und noch mehr Trauben. Sie süßesten, die man sich vorstellen kann. Was tun Sie? Naschen Sie drauf los und lassen Sie sich gehen? Klettern Sie auf einen Hügel um doch endlich die Übersicht zu erhaschen? Ich gehöre leider zu den Lesern, die recht lange wissen wollen, worum es hier geht. Da sind schon sehr viele Trauben vorüber, bis ich anfange, sie zu pflücken. Oft denke ich nach so einer Lektüre, man sollte den Anfang noch mal lesen, um sich auch da an den vielen reichen Stellen zu delektieren.
Aktuell griff ich zu Rilkes Roman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", und mit dem Namen "Rilke" als Lyriker im Hinterkopf war ich gespannt und auch vorgewarnt. Ohne Klappentext las ich den Text, der zwar exzellent geschrieben ist, sodaß man die irrwitzigsten Ideen doch gut lesbar vorfindet und keine Ausrede hat, das Buch lese sich nicht gut (was bei manchen Übersetzungen durchaus wirklich mühselig ist). Trotzdem gerät man ob der Formulierungen, des Wortgebrauches und der Kraft der Aussagen außer Atem, die obigen Weintrauben quellen einem aus dem Mund, wieder und wieder. Und daneben weiß man nicht, ist das jetzt eine Kritik an der hektischen Zeit am Beginn des 20. Jahrhunderts, oder ein Aufrollen seiner Kindheit, schrullig und rückwärts gewandt. Mir gelang die Lösung letztlich nur mit Geduld, und um mich zu bremsen, begann ich, Teile mir selbst vorzulesen und diese Wunderwerke auch zu hören. Und hier zeigt sich wieder einmal, daß der Weg das Ziel ist. Und wenn ich an die diversen Schnelllesebücher denke, die ich auch schon verspeiste, dann ist das definitv ein Langsamlesebuch.
Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. SZ-Bibl. Band 26
Mittwoch, 24. Februar 2016
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