Montag, 28. Dezember 2009

Blood, Sex and Stethoscope

Samuel Shems "The house of god" erzählt uns auf vierhundert Seiten über den einjährigen Turnus, der in den U.S.A. im Anschluß an das Studium die Berechtigung zur Praxis verleiht. Um es vorweg zu nehmen: die Erzählungen, Episoden und der Wortgebrauch sind streckenweise höchst unterhaltsam, kurios, vielleicht übertrieben. Die Dramaturgie, der gesamte Handlungsstrang wirkt aufgesetzt, wie ein Puzzle, das aber aus einer langen Reihe einzelner aneinandergereihten Teilen besteht. Erzählt wird aus der Sicht von Roy G. Bash, autobiographisch (oder zumindest mit solchen Zügen) des Autors, der zuerst Arzt wurde, dann Psychologie nachgesetzt hat - was sich in den Dialogen mit der Freundin von Bash im Buch wiederspiegelt. Selbige nämlich ist im Buch Psychologin und analysiert ihren Artztfreund.

Ob das Buch, das schon in den 1970er Jahren entstanden ist, deswegen berühmt geworden ist ("Million Copy Bestseller"), ich weiß es nicht: aber die 'Laws of the house of god' sind überaus genial und auch bestens umgesetzt. Ich würde am liebsten alle aufzählen; ein paar davon:

#1 GOMERS DON´T DIE. Gomer ist die Abkürzung für Get-out-of-my-emergency-room und meint Menschen, die schon nicht mehr als menschliches Wesen scheinen. Aber sie sind hardnäckig, und eigentlich ist der Umkehrschluß gravierend: die jungen Leute, die hereinkommen, die sterben.

#4 THE PATIENT IS THE ONE WITH THE DESEASE. (Nachsatz: and not you, the doctor). Man solle sich quasi nicht zu sehr betroffen lassen machen von den Krankheiten, welche die Patienten haben.

#8 THEY CAN ALWAYS HURT YOU MORE. Patienten, speziell Gomers, sitzen am längeren Ast. Sie quälen Dich immer noch mehr, sie setzen eins drauf, und wenn sie als Tote noch Ärger machen.

#10 IF YOU DON´T TAKE A TEMPERATURE, YOU CAN´T FIND A FEVER. Anspielung darauf, daß die zu intensive Suche nach Krankheiten Dinge hervorbringt - oder sogar durch die invasiven Untersuchungsmethoden auslöst, die sonst nicht bedrohlich gewesen wären. (Ergänzend #13: THE DELIVERY OF MEDICAL CARE IS TO DO AS MUCH NOTHING AS POSSIBLE)

Extrem genial sind auch die Mechanismen TURF, BOUNCE, BUFF bzw. die WALL Funktion. Basis dessen ist, daß man Patienten NICHT auf seiner Station haben möchte. "Turfen" heißt, diese auf andere Stationen, idealerweise außer Haus zu verlegen. Garstig (und hoffentlich nicht ernst gemeint) erklärt The Fat Man das Turfen vermittels höhenverstellbarem Bett: aus der Bauchhöhe fallende Patienten turft man in die Orthopädie, aus Kopfhöhe fallende in die Neurochirurgie. Oder das Bett schräg stellen, um die Blutdruckmessung zu "tunen". So, nun sind aber die anderen Stationen auch nicht dumm und wollen den Patienten baldigst unfrankiert zurücksenden, sie "bouncen" ihn. Um das zu vermeiden, rät also der Fat Man, man möge die Charts (Kurven, quasi "Patientenakt") aufzupolieren (to buff) und anpassen, sodaß der Patient nicht mehr zurück kommt. In der Aufnahme ist derjenige Arzt eine Wall, welcher möglichst alle Patienten turft und nicht aufnimmt. Preisfrage am Ende: was ist der "ultimate turf"? Richtig, in die Pathologie, und da gibt´s dann keinen Bounce. Makaber - aber, lustig zu lesen, wenn man auf solche Art von Humor steht. Und daß der menschliche Oberarzt "The Fat Man" hundertmal effektiver - weil menschlicher - ist mit seinen "Laws" als sein Counterpart Dr.Jo, die technokratisch solange sucht, bis sie eine Krankheit findet, vermittelt Shem auch recht eindeutig.

Der Titel oder Untertitel des Buches hätte verdient, darauf hinzuweisen, daß hinsichtlich Sex alle nur möglichen Klischees abgearbeitet werden und auch mit expliziten Szenen keinesfalls gespart wird (ich erspare sie Euch auch nicht, auszugsweise ein paar nach dem Absatz). Jedenfalls ist die Botschaft klar: alle Krankenschwestern (ausnahmslos!) sind unerhört scharf auf Ärzte, und die Ärzte denken an nichts anderes, als an Sex. Ich meine: natürlich denken wir alle (okay, von mir aus: denke ICH) ständig an Sex, aber uns fehlt dieser doppelte körperliche Bezug im Job, kranke Objekte und sexuelle.) Trotzdem frage ich mich auch ob der Reduktion von Frauen auf Sexualobjekte (z.B. Dr. Jo [female], deren überdrehtes Verhalten durch fehlenden Sex erklärt wird. Oder daß etwas Sex, eine Orgie hie und da mit den älteren Damen des Pflegepersonals durchaus hilfreich sein kann, um seine Aufgaben oder die Verlegung von Patienten leichter handzuhaben. Oder daß weibliche Ärztinnen mit weiblichen Schwestern schlechter zusammenarbeiten, wie es die uralten Muster eh immer schon gewußt haben wollen, so Bash, so Shem) - ich frage mich also, ob zur Erscheinung des Buches Ende der 70er Jahre hier jemand aus dem feministischen Lager aufgestanden ist. (Wenn nein und das alles stimmt: Milan, warum bist Du bloß nicht Arzt geworden?)

Hier also wie versprochen ohne weiteren Kommentar Zitate - und ja, auch ich habe allerhand im Wörterbuch nachgeschlagen (blush):

(91) "Trying to hide the stiff screaming crowd living it up in my white pants, I (...) followed that pert bouncing ass into the patients room"

(154) "Whenever I thought of Molly, something rolled over in my pants and I felt younger than I was, and I got a glitter in my eye and I thought about my first love, and that bittersweet chaos of fumbling with hooks and belts and zippers and parents on couches on front seats on back seats on movie seats on rocks an everywhere except in beds"

(154) "in the instant between the sit down and the leg cross, there´s the flash of the fantasy triangle, the French panty bulging out over the downy mons linke a spinnaker before the soft blond and hairy trade winds"

(155) " (...) in the middle of a NO she says OOPS and in I slip, and she shows me her secret, which is that she fucks not like a young innocent little girl but like a moaning Byzantine courtesan, all gold and warm oil and myrrth."

(226f) "she couldn´t undo my pants fast enough, and when some snow dropped from her hat onto my inflating glans and I yelped and shivered all over, she laughed and said, Oh, Oscar [her name vor his penis] needs to be warmed up, doesn´t he? and did just that with her mouth - where did these nurses get these gymnastic hungry mouth"


Ansonsten läßt das Buch keine arztrelevanten Themen aus. Etwa, daß es letztlich allen um Geld geht, und daß Untersuchungen unnötig gemacht werden, nur weil sie viel bringen "there´s money in shit" meint, möglichst viele Darmspiegelungen durchzuführen. Darüber, daß Frischlinge an Fehlern und hinabgefressenen Emotionen zugrunde gehen können, bis hin zum Selbstmord von Potts. Über die Beziehungsprobleme von Ärzten, MOR (Marriage on Rocks) bzw. ROR (Relationship on rocks) und Scheidungsquoten. Über Mißbrauch der Funktion, wo Roy eine attraktive, leicht angeheiterte Norwegerin sich ausziehen läßt, ohne daß es aus medizinischer Sicht tatsächlich nötig gewesen wäre. Darüber, wie Bash die Nerven wegwirft und mit allen anfeindet, daß er süchtig wird und auch seine Freizeit in der Anstalt verbringt, nicht mehr abschalten kann. Darüber, daß er eine Affäre hat, über Sterbehilfe, über letale Fehler (wobei unser autobiographischer Held sich hier seine West vorsichtshalber rein hält). Über Haß zu Patienten und über zu intensives Mitgefühl. All diese M&M rounds (Morbidität und Mortalität) steigern sich zum Schluß hin, aber eben etwas übertrieben theatralisch und geometrisch wirkend. Ganz viel Kitsch nach amerikanischem Zuschnitt zum Schluß: "Humbly, I asked her [Berry] to marry me" als letzter Satz des Buches. Schließen wir aber mit den Worten eines schon leicht dementen Patienten, der nicht nur auf "How are you" sondern auf alles antwortet mit "PURRTY GUD" und bleiben wir Krankenhäusern fern, jedenfalls als Patient. PURRTY GUD.


Alle Zitate: Shem, Samuel (1978): The House of God.

Zurück aus der Zukunft

Gerade bin ich zurückgekommen aus der Zukunft. Im Radio* läuft eine Jazzpianoversion von Redemption Song, ganz im Stil von Barmusik aus dem vorigen Jahrhundert. Am Herd steht mein Espressokocher, so wie er schon immer auf Herden und Öfen stand, aus nichts zusammengesetzt wie einem Sieb mit Kaffee und zwei ineinander verschraubbaren Teilen. Zehn Jahre alte Möbel umgeben mich, und der Klang eines UKW Radio, analog. Wohl fühle ich mich dabei.

Aber so eine Reise in die Zukunft läßt einem das Eigene, Rückständige wieder schätzen. Und deshalb möchte ich Euch davon erzählen. Ich war also bei Brudern, der im Gegensatz zu mir keinesfalls Durchschnitt ist. Er ist vorne dabei, ganz besonders was elektronische Spielzeuge betrifft (auch elektrische, etwa sein nagelneuer Aschestaubsauger, damit man die Aschenlade des Kaminofens nicht mehr ausleeren muß). So kam ich also erstmals und ausführlich in den Genuß einer Nintendo Wii Spielekonsole, die beim Brudern ergänzt ist mit dem "Sprungteppich" (einer elektrischen Matte, die erkennt, wo man hintritt), dann einem "Balancemeßinstrument" (das mißt, wohin man sein Gewicht verlagert) sowie diversen Plastikteilen, in die man den Controller reingeben kann, womit man plötzlich einen Tennis-, Baseball- oder Golfschläger hält, ein Lenkrad oder eine Pistole. Ich meine: computergespielt, das haben wir alle irgendwann mal. Ichselbst habe damit sehr abrupt mit 18 oder 19 aufgehört. Aber gerade die Turnstunde mit dem Balance Board hat eine neue Qualität. Hier wird vermittelt - und der Bruder konkretisierte es mit: das ist für die "bladgefressenen Stadtkinder" - damit könne ein jeder sein Bewegungspensum aufbringen. Und es ist jede Menge Motivationspsychologie in der Software mitgeliefert. So werden etwa neue Spiele erst ermöglicht, wenn man insgesamt genug trainiert hat. Der BMI wird ausgerechnet, und das "Wii Fit Alter" ermittelt, also jenes Alter, dem man von seiner Fitness her entspricht. Ich werfe gleich ein: bei mir schlug Nintendo trotz meines hohen Alters noch weitere fünf Jahre auf mein Fitnessalter auf, obwohl ich einen BMI von 23 habe und nicht so schlecht in Form bin. Sei´s drum. Das Ding fragt mich beim Registrieren, wie ich mein Gewicht in zwei Wochen verändern (abnehmen) will. Und dann steht man im viel zu warm geheizten Wohnzimmer vor einem Plasmaschirm und verrenkt sich, holt sich vermutlich demnächst von diesen Spielen eine Sehnenscheidenentzündung, fragt sich: kann es das wirklich sein? Kann mir das je meinen geliebten Wald ersetzen? Der Wald, dessen mystische Kraft, dessen visuelle Dramturgie, dessen Heimeligkeit mich jedesmal immer und immer fasziniert und anlockt, Tag, Nacht, auch Herbst, Allerseelen, Spätherbst, November, Winter, und all die restlichen Zeiten im Jahr. Mir nicht. Ich brauche für viele Dinge keine Motivation, ich habe noch archaische Triebe in mir, höchsten noch dem Mond, der mich in Unruhe umherirren läßt, auf der Suche nach... Aber ich verzettle mich. In der Zukunft interessiert weder Wald noch Mond noch Triebe noch Spätherbst noch Sinne. Die Verkürzung menschlicher Wahrnehmung erfolgt in zwei Stufen: einerseits auf die visuelle (hören ist dabei, aber stets nachrangig, weil nebenher) und andererseits auf eine Distanz von wenigen Metern beschränkt. Und hier sind wir wieder zurück in des Bruders Wohnhöhle, an dessen wärmespendenden Fernsehgerät, was sage ich: Multimediaausgabegerät mit Meterdiagonale. Von Früh morgens bis Abends läuft das Ding, es hat die Funktion des wärmenden Feuers in der Steinzeithöhle, es bildet den Mittelpunkt, den Versammlungsort. Nur daß keiner Geschichten erzählt, daß keiner zuhört, daß man auch zu zweit zu dritt ist. Er ist immer da. Gefüttert wird er neben der Spielekonsole noch mit Aon TV (zuzüglich Premium Kanäle Paket) sowie der Vernetzung mit Computern und damit allen downloadbaren Inhalten. Was noch fehlt, denke ich mir, während ich, als Bösemensch steckbrieflich in allen Applestores ausgehängt nie eine Chance auf ein iProdukt habend, mit Bruders iPhone spiele, ist die saubere Integration all dessen. Eine Frage von Zeit und Herstellerwillens.

Schlagartig fällt mir ein die These von der "Digital Divide", ein theoretisches Konstrukt der Medienwissenschaft. Aber spätestens seit Facebook vom, wie Anja es treffed ausdrückt, vom Pöbel breit gebraucht wird, vollzieht sich die Teilung nicht zwischen Digitalen und Nicht-Digitalen, sondern zwischen denen, die sich die Informationsinfrastrukturen zunutze machen, und solchen, die vom "Medium"** genutzt werden, die gebraucht werden als eShopkäufer, online Werbung Gucker und Konsumenten bzw. Marketingadressaten - als Schafe, die geschoren werden, um es kurz zu fassen. (Beim Brudern ist das eine Hybridstellung, er lebt vom Internet und konsumiert es und darin auch heftig.)

Ich gehe letztlich das Risiko ein, gebrandmarkt zu werden als Besserwisser (wenn nicht Bessermensch im Sinne des Gutmenschkonzepts), als überheblich, als Kulturpessimist, wenn ich so über das Fernsehen herwettere, dabei: es ist nicht das Fernsehen per se, sondern ünmäßiger, nicht verdaubarer Medienkonsum. So, und jetzt saufe ich den selbst (Nes rät: langsam) gebrühten Kaffee in mich hinein, zurück aus der Zukunft.

* Ö1, Monty Alexander, aufgenommen am 6. November beim Salzburger Jazzherbst aus der großen Aula der Universität Salzburg
** Den Begriff "Medium" habe ich früher sehr gescheut, und aus Vorsichtsgründen gebrauche ich ihn auch noch heute innert Doppelhochkommata.

Samstag, 26. Dezember 2009

Rauhe Wellen, Von Trier ganz zahm

Ein Hinweis in der Zeitung auf diesen Film hat mich zu ihm (Breaking The Waves) geführt. Man solle sich, so das Essay zum Thema Wünschen, bei der Äußerung von Wünschen in Bedacht nehmen, einerseits, wolle man denn tatsächlich, daß der Wunsch wahr wird? Verschwindet nicht der Reiz am Begehrten zugunsten der Angst, es wieder zu verlieren? Oder hat dann die Erfüllung des Wunsches, wie im Märchen oft, einen Haken. In diesem Film jedenfalls. Bess heiratet Jan, der schon kurz nach der Hochzeit wieder an seinen Arbeitsplatz zurück muß, einer Bohrinsel. Und es folgt einer dieser genial gespielten Dialoge mit Gott, wo Bess in der Kirche knieend einmal selbst, völlig gedruckt und mit hohem, stimmlosen Ton Gott anruft, sich dann selbst den Gegenpart des Dialoges vorsagt, bestimmt, fest, leicht verrückt sogar. Und sie bittet Gott, er solle ihr Jan zurückbringen, er solle für immer bleiben, da sie es die noch offenen zehn Tage nicht mehr aushält. Das tut Gott, aber eben zu wörtlich gemeint: denn Jan erleidet auf der Bohrinsel einen Unfall und kommt vom Hals abwärts gelähmt zurück. Was folgt ist zermürbend, und es wird nicht gerade leichter, als Jan sie um einen schwer erfüllbaren Gefallen bittet. Nun bildet sich Bess ein, wenn sie das tut, was Jan wünscht, wenn sie sich für ihn aufopfert, dann geht es ihm besser. Und hier sind wir beim zweiten christlichen Bild, nämlich den, daß der Sohn Gottes für die Menschen leiden und letztlich sterben mußte: "...prove that you love him, and then he´ll live." Daß Bess also sterben und Jan wieder gehen wird können, wird gegen Ende des zweieinhalb Stunden langen Werkes rasch klar.

Wer neuere Filme von Lars von Trier kennt, z.B. Antichrist, für den sind diese Bilder direkt zahm. Ja, es gibt Blut zu sehen, nackte Körper und dergleichen, aber insgesamt leben die Bilder von den Gesichtern der Schausteller (insb. Bess) und von der Landschaft natürlich, nördliches England, trostlos, und vom Gegensatz Kirche-Krankenhaus. Der 1996er Film bietet auch noch ein vergleichsweise gutmütiges Ende. Liebe im menschlichen und christlichen Sinn ("You can´t love words"), die über alles geht.

Montag, 21. Dezember 2009

Drei Ideen und die Ehrfurcht

Eines Tages werd´ ich es tun, werde aufstehen, müde drein schauen, nachmittags ein paar Kaffee trinken, vielleicht eine Zigarette rauchen, mich an die Tasten setzen, noch einmal von der Zigarette einen Zug nehmen, sie ausdämpfen, ausatmen und zu tippen beginnen. Noch ist die Ehrfurcht zu stark vor der großen Form, vor einem Billigen Buch, vor hundert oder mehr Seiten erfundener Erzählung. Noch fürchte ich, die Ideen zu verheizen in einer gehudelten Form. Ich meine: nicht daß ich mir einbilden würde, je etwas brauchbares zu schreiben oder schreiben zu können. Nein, aber wie richtig diagnostiziert wurde, ein gewisser Drang zum Schreiben ist mir nicht abzusprechen. Unbescheiden wie immer hege ich schon Ideen für drei Werke, eines ein Thriller (nicht ohne Nebengeräusche), eine Gesellschaftswerk und natürlich ein völlig überdrehtes, übertriebenes und furchtbar trauriges Liebeswerk. Bis dieser Tag kommt, werden die drei Ideen einmal abliegen (hoffentlich nicht verfaulen, aber wie sagen wir immer: wegen des bißchen Schimmel werfen wir das alte Brot noch lange nicht weg)

Sonntag, 20. Dezember 2009

Verfolgungswahn? Jamie Cullum, Photograph, 0:14

Man kann mir jetzt Verfolgungswahn vorwerfen. Oder Einbildung. Oder das Wahrnehmen eines psychoakustischen Artifakts. Gerne, aber hört zuerst selbst. Jamie Cullum, Photograph, auch als i06.mp3 bekannt, nach 14 Sekunden, gleich nach der ersten Zeile "Her name was written on a photograph". Ich höre hier ein Knirschen, so als ob ein alter, hölzerner Klavierhocker knirscht, wenn der Spieler sein Gewicht verlagert, um die geeignete, genehme Sitzposition zu erreichen. Warum man das bei einer Studioaufnahme nicht rausgeschnitten hat? Ich weiß es nicht, vielleicht ist es ja ein Rätsel, vielleicht ist es eine Botschaft eines Verrückten an einen anderen, und der erste, der es entdeckt, der ... (Erinnert ein wenig an Das F'sche Pendel)

Ich sehe schlecht. Ich höre schlecht (zumindest lt. Gehörtest). Aber die Idee, sich ein kleines Repatoire an Musik, Filmen, Büchern, Charaktären, Gedanken zu Gemüte zur führen, dieses aber dafür immer und immer, um weg von der Oberlächlichkeit zu kommen, diese Idee mag antiquiert und langweilig, i-tüpfchenreitend wirken, aber mir erscheint sie noch alle Tage lohnend.

Dienstag, 8. Dezember 2009

No worse case

[die]
Was er damit jetzt meine, wenn er sage, er ergötze sich gerade noch daran, an einem Theaterstück wie Worst Case (nach einem Text von Katrin Röggla im Schauspielhaus Wien). Das sei ja kein G´spaß. Die Katastrophe ist unausweichlich, und wenn sie meinten, alles unter Kontrolle zu haben in ihrem Controlroom, über den Dingen befänden sie sich. Aber wer sei das schon? Ich käme nie selbst zu Wort, immer die anderen sind es, sie leihen mir ihre Stimme, nein, sie drängen sie mir auf, erst noch nicht klar für das Publikum, dann aber sehr wohl.

- Ob das Publikum denn noch immer nicht kapiere, daß es sich hier um keine Übung handle! Der Ernstfall sei das hier. Sie im Kontrollturm, im Elfenbeinturm, in dem sie sich sicher wähnen, sie getrauen sich nicht zu blinzeln, als könnten sie verpassen, wie die Siebenviersieben über dem Meer zerschelle. Sie meine, ein Notlandung über der zerklüfteten Wüste von Nevada: das sei ausgeschlossen. Und dann die Hinterbliebenen!

- Ob das Publikum schön langsam kapiere, daß es sich hier nur um eine Übung handelt, nur sie nicht. Sie nicht! In ihrem Turm, warum es ihnen niemand sage? Der Worst Case ist kein Worst Case, keine Katastrophe. Und der Kaffee schmecke auch ekelhaft.

[er]
Wenn man ihn frage, was ihn am meisten fasziniere? Er müsse jetzt schon festgehalten wissen, er habe vorher nur "Wir schlafen nicht" gekannt, und das nur als Buchverfassung. Und von der Bühnentauglichkeit, mit welcher Kraft das hier rüber komme, irgendwo vierte Reihe und in Begleitung, das sei schon unerhört. Am meisten weg (und doch voll da), hin und weg, war er beim Monolog der Kassandrasekräterin. Überlegend, ob das alles gelernt sei oder doch improvisiert (Entscheidung pro ersterem) deuchte es ihn, mein Lieber, sagte er sich, das ist längst Zeitkunst, das ist Rhythmus, das ist Musik, da könne er sich Vortragszeichen vorstellen.
Daß er den Rahmen der Rahmen der vier Bilder nicht völlig überzuckert hatte, das sei er schon gewohnt. Er könne auch damit leben, einfach nur Eindrücke aufzusammeln und sich sein Bild zu bilden. Aber das vorletzte Bild, das habe es auch noch einmal können. Zeitfenster für Intensivbeschäftigung mit Kindern freihalten. (Er wolle nun noch anbringen, so gut das gemacht sei, die Realität heute sei immer noch verrückter! Aber wer halte die Realität schon aus?)

- Er bewundere das Gespür Frau Rögglas, aus dem Wulst an Stoff, aus Interviews und dem ewigen Rauschen im Blätterwalde (inkludiert auch flimmernde Katastropheninszinierungen) aus dem Destillat noch das wirklich Intensive extrahiert zu haben. Das müsse ihr einmal jemand nachmachen.

- Dabei wäre er gerne im Nachhinein bei der Autorenfragerunde aufgestanden und hätte gefragt: "Frau Röggla, wie machen sie das?" Arbeite sie systematisch, gehe sie das Material immer und immer durch, feile sie an jedem Satz, Wort, Buchstaben bis zur Perfektion, arbeite sie langatmig. Oder inhaliere sie all das Material, lasse es gut setzen, rauche nachmittas ein paar Zigaretten (rauchen Sie?) und trinke Kaffee. Und mit einem Mal komme es aus ihr raus, sie komme nicht mit Schreiben nach und könne auch nichts mehr nachbessern. Es sei einfach da. Das würde ihn jetzt schon interessieren.

Und eigentlich würde er auch gerne wissen, ob ihm die Röggla sein Gutmenschkonzept in so ein Stück umsetzen würde? Wie das dann ausehen würde? Ob und wo sie Gutmenschen aufzuspüren gedächte, die bereitwillig Auskunft geben. Frau Röggla, mache sie ihm ein Gutmenschstück. Bitte.

Freitag, 20. November 2009

Sanfter Regen

Den Regen als Zäsur, das kennen wir von "Hundstage" (U.Seidl) ganz gut, wenn alles schon längst über und übergekocht hat, wenn die Nerven schon garnicht mehr blank liegen, sondern längst in der Mülltonne sind, dann kommt die Abkühlung. Bei "Erzähl mir was vom Regen" verläuft das alles viel sanfter. Erzählt wird die Geschichte eines Filmdrehs einer feministischen Politikerin in der französischen Provinz. Aber in echt geht es um Beziehungen, Beziehungen, Beziehungen. Man könnte sagen, meine Beziehungstypologie zeitgleich dargestellt, nur eben viel nuancierter, von dem frisch verheirateten Paar, von einer möglichen und einer realen Affäre, eine Scheidung, von lange zusammenlebenden, abgestumpften Partnern. Hier holt jeden einzelnen, jede einzelne die Realität ein, so sehr auch zu idealisieren versucht wird. Auf große dramatische Anfälle, auf Ausuferndes hat man verzichtet, wofür ich als längst überfütterter Filmkonsument dankbar bin. Der Film will auch nicht groß belehren, sondern einfach erzählen. Auch bei den Bildern und Schaustellern war man bescheiden in dem Sinn, daß gute Schauspieler mit einem alltagstauglichen Gesicht ausgesucht wurden. Held für mich ist ja Michel, quasi ichselbst: stets geht alles schief. Er bemüht sich ernsthaft: scheitert. Überspielt scheinbare Schwächen: scheitert.
Komische Momente setzen stets ein, bevor es zu politisch wird, etwa bei den Drehaufnahmen zu den Interviews. Naß werden sie, und es wundert mich, daß die Autoren (gleichzeigt Mitdarsteller) so einen runden Schluß gewählt haben, quasi einen Vollschluß. Hätte man auch offen lassen können.

Der Regen, um nun selbst einen Vollschluß zu versuchen, steht sinnbildlich für das, was anscheinend ein Naturgesetz ist: alle stehen ständig im Regen. Wohin man blickt: Imperfektion. Und ist das nicht gut so? Wäre doch langweilig so, und unfreiwillige Komik ist ja oft die lustigste.

Samstag, 31. Oktober 2009

Gute Werbung von Mercedes

Drifte ich ab ins Gutmenschenreich? Aber die schon seit langem regelmäßig auf der Titelseitung meiner Zeitung abgedruckte Mercedes-Benz Werbung (immer ein grauer Kasten) gefällt mir außerordentlich gut. Sie packen mich mit dem alten Schmäh, daß man die sich selbst verabreichte Belohnung, den Schmäh verstanden zu haben, positiv mit dem Produkt bzw. der Marke verbindet. Was denen nicht schon alles eingefallen ist! Und diesmal! Wirklich gut!

"Oma und die Brother-
stellung."

So der Titel. BROHTERstellung? Oder doch eher Brot-Herstellung! Das zieht sich dann ähnlich durch den Text (immer wieder falsch abgeteilt und dadurch einen anderen, witzigen (Irr-) Sinn produziert, etwa "URIN-stinkt" für Ur-Instinkt"). Und zum Schluß wird auf das Easy-Vario-Plus System verwiesen, das man abteilen kann, wie man will, so wie die Worte im Text abgeteilt wurden... Gefällt mir.

Samstag, 17. Oktober 2009

Wer schläft schon?

der durchschnittliche: natürlich sei seine erwartungshaltung eine andere gewesen, als er begann, kahtrin rögglas "wir schlafen nicht" zu lesen. natürlich, eine andere haltung, die sich da offenbarte. ja, infofetzen hätte er schon aufgeschnappt, und daher rechnete er eher mit einem prosaischeren werk. ein werk, das sich kritisch der thematik annähere. wobei er sich frage, was wisse man über die thematik nach zweihunderzwanzig seiten? arbeit sei das thema, arbeit im einundzwanzigsten jahrhundert, arbeit von arbeitssüchtigen, die nichts anderes mehr können, denen das abschalten des stresses mehr streß ist, als der streß zuvor. man komme nicht mehr runter. ihm komme es schon so vor, als sei das buch viel mehr kunst als dokumentation oder roman. aus zig interviews haben die keine große handlung gestrickt, vielmehr einen unkonkreten anstieg hin zu einem finale - einem finale, das eben aber auch wiederum nur aus brocken zusammenhält. erst als er das erkannt hatte, legte er sich eine geeignete lesart zu, die rögglas buch gerecht sei, mit blick auf die form.

der blick auf die form, ja, irgendwie komme die daher, dilletantisch gesprochen, wie eine a-a'-b form - kennen sie das? - wo es variierte wiederholungen (quasi die steigerung des a-teiles) gibt und dann einen b-teil, eine art abschluß, meist gekennzeichnet durch vorangestellte "-" stricherl. auch an die erzählweise aus der dritten person, stets im konjunktiv, gewöhne man sich, sagt er. und die insiderbegriffe und floskeln - hat hier jemand 'weißweinschorle' gehört? - kommen dosiert, nicht überfrachtet, auch sehr gut rüber. für ihn jedenfalls, etwa "er habe auch nicht die schwerkraft dieser branche gemacht" oder "klitsche".

- und wen hört er bei letzterem Begriff durchaus auch manchmal den beraterslang reden?
- genau. woher kommt ihm das alles aus dem echten leben bekannt vor?
- wer ist jetzt der wahre mckinsey king?

der schmähtandler: das sei natürlich klar, er habe ja keine literaturvergangenheit, keine sprachwissenschaftsvergangenheit. so mußte es kommen, daß er sich an den (nicht annhäernd erschöpfend, wie er meint, ausgeführten) einzelthemen delektierte. was war da so, die verschiedenen, mehr oder weniger brauchbaren, "vergangenheiten". oder arbeitszeit: "Wenn man um 18 uhr geht, kommt üblicherweise der spruch: ob man sich einen halben tag frei genommen hätte". "harte bwl", oder mckinseys "kinderkreuzzug". und dann die vielen Sekteinlagen, für die es immer gründe zu finden gibt.

- ihm komme das jetzt bekannt vor
- daß man ein wenig drinnen (andere mehr) sei in dieser welt, dabei ertappe er sich ja durchaus auch
- er meint als fazit: ganz gut in der richtigen lesart.

Dienstag, 13. Oktober 2009

F***ing Brudge

Selten genug, daß ich heutzutage noch (für mich) gute Filme zu Gesicht bekomme. Aber dann doch wieder. Was machen zwei Killer in Brügge? Und wo zum Teufel ist Brügge?
"Brügge sehen... und sterben?" hat den erfrischenden Plot einer Killergeschichte, die nur so strotzt vor schwarzem Humor.
Was ich an der Handlung so gut finde, ist, daß der Zuschauer in einem fort in die Irre geführt wird. Abgebrüht, wie man nach 100.000 Fernsehmorden nun mal ist, nach zahllosen Aufführungen der Abteilung Thriller&Killer Co.KG, versucht man immer und immer, die mögliche Fortführung der Handlung zu erraten. Ein probates Mittelchen scheint, einfach eine ausreichende Zahl an Figuren einzuführen, ohne zu offenbaren, welche Bedeutung sie haben werden. Ich erinnere mich da an From dusk ´till dawn, wo im ersten Teil der Handlung ein knallharter Bulle (Gendarm würde man hierzulande sagen) auftaucht, den man gleich zugestehen würde: das wird der Showdown, Bulle gegen George Clooney, dessen Filmbruder ersterer ja soeben umgenietet hat - und der aber dann ohne lang Herumfackelns umgenietet wird und ausscheidet. Harry, der Obermacker der Killer AG, tritt z.B. erst recht spät auf, man meinte eingangs überhaupt, ihn nur als Telefonstimme kennengelernt zu haben werden. Im Finale überschlägt sich dann alles, und die Optionen multiplizieren sich. Der langen Rede kurzer Sinn: den Schluß errät man nie.
Auch zum Umfallen: die Dialoge. Dem Rat gefolgt, wählte ich als Sprache und Untertitel Englisch (ein so schlechtes Englisch wie das meine vorausgesetzt, reicht die Sprache niemals, um auch nur ein Drittel der Pointen zu kapieren). Ob Brügge, ob das Date von Ray, ob das Telefonat Ken mit Harry, ob die Drogenparty - einfach köstlich, und spätestens jetzt wissen wir den Unterschied zwischen midget und dwarf!
"fuck, man, mayby that´s what hell is
the entire rest of eternity spent in fucking Brugde"

Sonntag, 11. Oktober 2009

"Ich muß krank sein, wahnsinnig!"

"Ich muß krank sein, wahnsinnig!" Hier überlief ihn ein Schauer, denn dieses Wort empfand sich angenehm pathetisch. "Wahnsinnig, - oder was ist es sonst, daß mich Dinge befremden, die den anderen alltäglich erscheinen?"
So also ein Zitat, mit der ich meine Laieneindrücke zu einem Buch eröffnen will, das sich mir so garnicht einfach erschlossen hat, keine leichte Lektüre, möchte ich für mich konstantieren: Robert Musils 'Die Verwirrungen des Zöglings Törleß'. Einerseits ist da die Internatsgeschichte um Törleß, Beineberg, Reiting und Basini, andererseits aber das fein abgestufte Psychogramm der Törleß'schen Verwirrungen.

Selbst war man ja auch in jungen Jahren in einem Internat und kennt so manche Spielregeln daraus, wenngleich es so arg dann auch nicht zuging bei uns. Aber die unterschiedlichen Rollen, wenngleich natürlich nicht so stereotyp wie hier, gab es wohl auch. Im Buch haben wir den Groben, Brutalen, den Redlsführer (Reiting), dann den Intriganten, der Leute stets gegeneinander ausspielt (Beineberg) mit seinem Glauben, das Geistige, Übersinnliche für seine Zwecke einsetzen zu können. Basini, den Prügelknaben. Dann etwa den "Fürsten H." und natürlich den Sonderfall Törleß.

Eigentlich würde es das Buch ja verdienen, ganz langsam gelesen zu werden, rezitiert quasi, sodaß man den Verwirrungen habhaft werden, sie entwirren oder zumindest im Ansatz verstehen könnte. Aber das schaffte ich nicht. Also greife ich ein paar Momente heraus, die mich angesprochen haben. Da natürlich das eingangs erwähnte Zitat zuerst. Dieses phänomenologische Sich-wundern über Dinge, Verhaltensweisen, Tatsachen, Realitäten, die andere nicht nur akzeptieren, sondern auch nie im Ansatz hinterfragt haben, scheint mir für mich gar reizvoll. Ich brüskiere mich unbescheiden und schicke also meinen Gutmensch vor.

Mögen tue ich auch diese Assoziationsketten, im Gras am Rücken liegend, die Wolken betrachten, Blätter im Wind rascheln hörend, gerade so, als hätte Törleß einen weiteren Sinn, mit dem er sprunghaft Verbindungen herstellt, aber auch die Seele fühlt, dann aber das Versagen der Worte feststellt, diese Gedanken greifbar zu machen, sie festzuhalten "...daß die Worte nur zufällige Ausflüchte für das Empfundene [seien]". Und da fällt mir der unlängst gehörte Ausspruch ein "Mein Kopf ist so voll, daß ich es nicht schaffe, diese Fülle an Gedanken geordnet rauszulassen und zu Papier zu bringen." Daß sich dann der Kreis schließt über die imaginären Zahlen als mathematisches Sinnbild für eine Denkhilfe, eine Brücke, die Anfang und Ende hat, selbst aber nicht erklärbar ist und trotzdem trägt, als Analogon der dunklen Flecken, des Nichts zwischen zwei Gedanken: das ist jetzt meine Interpretation. (Anders sage ich bekanntlich immer gern: ich müsse ja nicht alles verstehen, nicht alles erklären können - ein Geschenk des Alters, würde ich meinen)

Viel mehr gäbe die Musil'sche Selbstfindung des jungen Menschen her, ich möchte noch zwei Aspekte herausgreifen.
"Aber es ging nicht. Wie immer, wenn er sich etwas allzu sorgfältig vorher ausdachte. Es war zu wenig unvermittelt und die Stimmung erlahmte rasch zu einer zähen, breiigen Langeweile, die sich ekelig an jeden der viel zu absichtlich immer wieder erneuten Versuche klebte"
Wie schön er doch das trifft, was ich mir so oft denke: einer malte sich ein Ereignis, z.B. einen Abend mit dieser oder jener Person aus, tagträumt sich eine Stimmung herbei, vielleicht einen Ablauf, entwickelt Vorstellungen. Doch dann! Es geht nicht auf, es bleibt genau wie oben beschrieben. (Und glücklich sind wir, erleben wir die Umkehrung, wo wir mit keinen Erwartungen aufs Angenehmste überrascht wurden)

Eine Erniedrigung: vergeht "Aber etwas von ihr blieb für immer zurück: jene kleine Menge Giftes, die nötig ist, um der Seele die allzu sichere und beruhigende Gesundheit zu nehmen und ihr dafür eine feinere, zugeschärfte, verstehende zu geben"
Vielleicht meint es das, wenn mit zunehmender Erfahrung einer meint, er sei bereits in dieser oder jener Hinsicht "abgebrüht". Bedarf es Niederungen, um zu verstehen? Ich meine: ja. Und das nicht nur gemessen an der Anzahl an Niederungen, durch die ichselbst mußte - und das keinesfalls mit Blick auf "weswegen Jünglinge mit großer Zukunft meist eine an Demütigungen reiche Vergangenheit besitzen". Nicht wegen der fehlenden Demütigungen, aber die Zukunft.

Schließen möchte ich meine Gedanken mit einer, wie ich meine, tröstlichen Botschaft, wonach Denken nicht ausreiche, um "hinüberzukommen" zu Gewißheit - vielleicht zur Hälfte, der Rest muß aus dem Inneren kommen, aus der Seele. Ist ein schönes Gefühl: was wir nicht verstehen, überantworten wir vertrauensvoll der Seele.


Post script: Ein Satz, der mir formale Schönheit bedeutet hier zum Nachlesen (Ihr wißt um mein Faible für nachgereihte Satzteile): "Staubflocken leuchteten auf und ein kleines häßliches Spinnengewebe."

Freitag, 11. September 2009

Adaptierter Spruch

Hier mal ein adaptierter Spruch:

- Wer unter Euch ohne Fehler [Sünde] ist, der werfe den ersten Stein
- Ja, wo bitte ist hier der nächste Steinhaufen?

;)

Samstag, 22. August 2009

Barcelona Vollgas

Habe mir also den Film "Vicky Christina Barcelona" angesehen und dabei folgende Meinung gewonnen..
Bei dem Streifen (von dem ich ausgehe, werter Leser, geneigte Leserin, daß Sie ihn kennen) wird ein spannender Themenkomplex abgehandelt, reizvoll, wenngleich ich die (fast) Gleichgewichtung von Vicky und Christina zu zwei Prima Donne nicht ganz gelungen finde. Aber jetzt kommt der Haken an der Sache: der Plot mußte hollywoodtauglich gemacht werden, d.h. in 1 1/2 Stunden gepresst, wofür selbst ein sich sehr kurzfassender Autor vermutlich 300 Seiten Papier beschriften würde, Proust sicher im vierstelligen Bereich. Aus diesem Korestt resultiert ein atemberaubendes Tempo, wo ich zwischendurch mal Pause schalten mußte, um nicht aufs Atmen zu vergessen. Um überhaups den Ansatz einer Chance zu haben, das alles unterzubringen, griff man massig auf Klischees zurück, was Charaktäre betrifft, Orte, Gefühle, Künsltertum, Essen, Trinken - alles quasi. Dadurch hatten die Charaktäre keinen Funken einer Gelegenheit, dieser Verkürzung auf Abziehbilder, auf Copy-and-Paste Schausteller zu entkommen. Und der Erzähler ist ja der offensichtliche Beweis dafür, daß man einen "flotte" Handlung angestrebt hat.
Hätte man etwa den "Christina"-Teil deutlich verkürzt und sich für Vicky als Prima Donna (Prima Uomo ist eh klar) entschieden, wären die Chancen schon gestiegen. Aber vermutlich hätte sich der Film dann nicht so gut verkauft; obwohl: auch beim Genre hat man sich nicht entscheiden können. Ist das lustig? Traurig? Dramatisch? Lieblich? Alles zusammen?
Von meinen Lieblingsklischees ist da einmal die Tapete. Spanien, "guter" Wein, "gutes" Essen, Gaudi, Gitarrenmusik (welche auf magische Weise Vicky bewegt, was immer das dann heißt), und dann muß alles "klein" sein: ein kleines Restaurant, noch eines, eine kleine Konditorei. Warum nicht eine große? Warum nicht Gerbeaud in Budapest*, eine große Konditorei in jeder Hinsicht und eine, die mich stolz machte, das Österreich und Ungarn einmal eins waren. Warum muß die Handlung überhaups in Spanien spielen? Ach so, wegen der heißblütigkeit selbiger Bewohner des Subkontinents, besonders natürlich von spanischen Künstlern. Warum nicht in, sagen wir, Westsibirien?
Dann kommen die Personen: der Künslter. "Außergewöhnlich" schon in der Anmache (ich krieg Euch beide Hasen), so spontan, fliegen wir gach wohin, mit langweiligen, abgegriffenen Komplimenten "Du hast so einen schönen Mund", "Welche Farben haben Deine Augen"... wenn es kein hollywoodtauglicher Film wäre, hätte er wahrscheinlich gesagt "Welch schöne Titten Du hast.", dann seine Hingabe für die Kunst, wegen einer Skulptur bis ans Ende der Welt, so kosmopolitisch. Und das farbbekleckte T-Shirt, das alte Fahrrad. Und geistreiche Sager: "analysieren sie immer jede spontane Inspiration bis jedes Fünkchen Anmut erloschen ist" *Schmelzdahin* Für Künstler gilt erstaunlicherweise, daß sie weich sind, quasi über Männineneigenschaften verfügen, emotional sind, und trotzdem als irr-männlich gelten. Seltsam. Ist aber so.
Dann Vicky: kritisch zu Beginn, dann hin-und-her gerissen, auch mit einer Ader für das offensichtlich ökonomisch Sinnlose, aber doch eher ein mäßig spannender Charakter (man hätte all die Zweifel besser und intensiver rausarbeiten müssen, wie das auch immer gehen soll, jedenfalls nicht durch einen Nebencharakter namens Ben aus dem Kurs, der ihr sagt, die Hochzeit sei vermutlich überstürzt gewesen. Auch die Gastgeberin (Judy, wenn ich nicht irre), ihre Eheprobleme und Versuchungen geben wenig her).
Dagegen finde ich Doug gelungen, fast schon überzeichnet dieses Klischee des langweiligen, aber stabilen Mannes: bodenständig, ernsthaft, unromantisch, "Schablonenmann", spielt Golf und Bridge, ist immer im Business, liebt sein elektronisches Spielzeug, den Flachbildfernseher und schafft es sogar dann im Abglanz des Künstlers fad zu sein, wenn er mit der Hochzeit in Spanien (deren Hauptzweck es ist, den Kindern später davon erzählen zu können) spontan sein möchte, völlig ohne jeden Tiefgang eben, Geschäftsfreunde sind schon vor der Ehe wichtiger als die Freundin. Und um das alles noch zu unterstreichen, findet er auch noch die Dreierbeziehung Christina-Künstler-MariaElena ekelhaft.
Auch mit Christina konnte ich nicht sehr viel anfangen. Leicht zu haben, offen, zugleich unschlüssig in jeder Hinsicht, dann die Freundschaft mir MariaElena, das Photographieren. Wirr irgendwie. (Dagegen ist MariaElena schon besser gelungen, sie ist einfach durchgeknallt. Punktum). Der Held des Stückes ist sowieso Künstlers Vatern: um die Leute zu ärgern, behält er seine Gedichte für sich, alleine deswegen, weil die Leute nach tausenden Jahren von Zivlisation nicht gelernt haben zu lieben.
Der Film erinnert mich ein wenig an so ein Kippbild, das, je nachdem, von welcher Seite man hinsieht, etwas anderes zeigt. Da ich als einfacher Mensch mit zwei Prima Donne nicht umgehen kann, habe ich die Blickrichtung "Vicky als Hauptperson" ausgesucht. Damit ergeben sich zwei handlungstechnische Höhepunkte, namentlich "Versuchung I" und "Versuchung II". Die Frage für Versuchung I ist, an welchem Punkt die Beste verloren war und der Künstler bekommen hat, was er wollte. Vermutlich der Besuch bei Vatern hat Eindruck hinterlassen, starke Emotionen (btw. ichselbst könnte über diese Schiene im Leben nie etwas gewinnen, aber lassen wir das;) . Dann noch etwas zu viel Wein, die Gitarren und dann: plötzlich im Park wird sie schwach. Und hier äußert sich auch eine weitere große Schwäche des hollywoodtauglichen Films: Liebesszenen sind so abstoßend, so langweilig, so schablonenhaft, daß man fast schon dazu neigte, es gut zu finden, wenn die Liebesszene mit einem Kuß angedeutet wird - Cut, so wie in diesem Film. Aber andererseits erhält das Pantscherl dann im Kopf der Zuseher kein Gewicht, lebt doch schließlich ein Film von Bildern. (Mich stört diese Heuchelei schon sehr lange, daß im US Standardfilm eher einer Frau die Brust mit einer Kettensäge zerstückelt wird, als man sie nackt zeigte oder gar sie zart berühren ließe. Angst vor Liebe, kompensiert durch Gewalt. Eigenartig, ist aber so.)
Auf das Pantscherl folgt schlechtes Gewissen, Unaufrichtigkeit und ein Treffen von Vicky, Doug, Christina und dem Künstler, wo aber, statt das man die Spannung hier ordentlich angeheizt hätte, die rasante Handlung durch eine billige Fußelei weitergetrieben wird. Es geht in Richtung "Versuchung II", die Geliebte eines aufregenden Mannes zu sein, oder doch Haus kaufen, Innenarchitekt beschäftigen, alle Probleme um den Nutzen der Magisterarbeit lösen sich, "wenn er sie erst geschwängert hat", und so weiter. Immerhin ließ sie sich küssen, bevor die Durchgeknallte mit der Pistole um sich knallt. (Um nicht als Drama zu enden, mußte in dieser Szene niemand sterben).
Trotzdem muß abschließend gesagt werden, daß in dem Film eine Menge Dinge verpackt sind, über die man durchaus nachdenken könnte. Etwa Gefühle versus Gedanken, in Richtung eines meiner Lieblingsthemen, eros versus ratio. Oder dieser Sager: "Wenn Juan-Antonio nie existiert hätte, dann wäre ich jetzt zufrieden. Wie ich es geplant hatte". Das ist interessant, das Entwerfen von was-wäre-wenn-nicht Szenarien; man ist heutzutage mehr denn je ständig vor Entscheidungen gestellt, vor Weggabelungen des Lebens, wo man diesen oder jenen Weg nimmt und die Alternative aber nie restlos einschätzen wird können (hätte ich etwa etwas Brauchbares studiert, dann hätten sie mich bei ... nie rausgeschmissen, ich hätte nie bei ... gearbeitet und in diesen Film nie gesehen ;) Ebenfalls nicht rauskommt, daß nach einer aufregenden Nacht, aus der mehr wird, die Liebenden von der Realtiät eingeholt werden und das Leben mit dem Künstler auch nicht nur Sonne & Leidenschaft, Inspiration und kleine Restaurants bietet. Aber mit meinem allerliebsten Thema möchte ich diese wirre Sammlung von Ideen beenden: wirklich romantisch ist nur unglückliche, versagte Liebe, nur sie ist tatsächlich ispirierend.

Wie hat die der Film Empfehlung mitgegebene Zeile gelautet: der Film sei etwas oberflächlich, aber garnicht so schlecht. Dem kann ich zustimmen, ein Haufen von viel zu kurz abgehandelten und trotzdem spannenden Aspekten: Liebe, Leidenschaft, Versuchung, Haß, Verführung, Künstlerleben - und auch über den Einsatz von Klischess kann man noch lernen.


* okay, als jemand, der quasi noch nirgends war auf dieser Welt (und darüber nicht einmal sonderlich bestürzt ist) kenne ich natürlich keine spanischen Konditoreien, aber ob die mit Gerbeaud oder Demel mitkönnen? (Ihr wißt ja, Kaffee saufen und Mehlspeisen...)

Sonntag, 9. August 2009

Productplacement, ein alter Hut, ein sehr alter

Product Placement (unauffällig auffälliges Platzieren von Markengegenständen inMassenmedien, vorzugsweise Fernsehen und Kino) ist ja für unsere Freunde von der Marketingfront, die stets mit Rechtfertigung ihrer in den Unternehmen kämpfen, weil ja den Deal stets der Vertriebler macht, ein alter Hut. Wie alt der Hut wirklich ist, zeigt eine Uhrenmarke der gehobenen Art, die freilich vermutlich eher unabsichtlich zu wirklich coolen Plätzen für ihre Produkte gekommen ist. Und sich damit jetzt aber prahlt, weil da kann man schwer mit, heutzutage.

Hier zwei der Plätze:
"A dandy on the boulevards (...) strolling at leisure until his Breguet, ever vigilant, reminds him it is midday" (Alexander Pushkin, "Eugene Onegin", 1829)

"He drew out the most delicious thin wath that Breguet had ever made. Fancy, it is eleven o´clock, I was up early" (Honoré de Balzac, "Eugénie Grandet", 1833)

(zweiters ist ja für nach Sauf- & Aufrißnächten optimal: Ups, 11 Uhr, früh auf heute :D )

Mittwoch, 8. Juli 2009

Name of blog changed

As you can see, I´ve changed the name of the blog from "average" to "average Schmähtandler". So, dear english speaking community, what the hell is a "Schmähtandler"? Well, ahm, someone who deals with jokes (sometimes these jokes have the nature of "swindles"). He or she try to sell the (mostly in my case) pretty cheap jokes to someone else (usually to as much people as possible), and if they laugh (just to be nice & polite), he or she feels better.

Here is the comparison of "Schmäh"
  • Schmäh (joke/swindle)
  • billiger Schmäh (cheap)
  • alter Schmäh (old joke, which everyone knows, but could be also funny esp. with the help of some beer)

More proverbs

Dear readers from overseas and elsewhere, here are more typical Austrian proverbs.

"Vü wissn, vü Kopfweh"
german: "viel Wissen, starke Kopfschmerzen"
englisch: "much knowing, much headache"

Now I want to introduce something very special and typical for what Austrians would call "philosophy". On slices of wood (machine cut angular from a tree trunk), some "philosophs" burn in their "highly reflected" aphorisms. Here are four examples with first transcription, second in german (they are mostly in Austrian dialect) and third in englisch. Stand by:
original: "Milch und Honig / sind gut für den Hals / Doch feiert sich´s besser / mit Hopfen und Malz"
german: identical
english: "Milk and honey / both are good for the throat / but celebrations are better / with hops and malt [beer]"
original "Bleib munter und lustig / und gern auf der Welt / hab´ Sonne im Herzen / und ausreichend Geld"
german: identical
english: "Stay lusty and frolic / and (stay) gladly on earth / have sun in your heart / and sufficent money"

original: "Glück und Freude soll schon sein / und dazu ein Gläschen Wein / Mit Humor und frohen Mut / geht auch weiter alles gut"
german: identical
english: "Luck and happiness should be here to stay / and for that purpose a glas* of wine / with humor and a good cheer / everything will continue to be fine"

* as very common in Austria, they use a belittlement form of the word "glas", so "Gläschen", which means of course in practice a gallon of wine or even more.
original: "Ich bin sehr genügsam / und hab´ a´ glei´ g´nua / 3~4 Vierterl Wein / und a´ Stelzen dazu´a"
german: "Ich bin sehr genügsam / und bin auch gleich satt / nur 3 - 4 Viertelliter Wein / und ein Eisbein dazu"
english: "I´m very frugal / and in a moment full / just 3 to 4 glas** of wine / with a knuckle of pork"

** here you can see, which volume is meant, "Viertel" is 0.25 litre of wine

Samstag, 4. Juli 2009

Das nächste Sprichtwort

Deutsch: Lassen wir den Herrgot einen guten Mann sein.
English: Let the Lord be a good man.

Bedeutung: leben wir die Arbeit hin, sie wird uns morgen bzw. am Montag auch wieder erwarten und uns nicht davongelaufen sein.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Liebeserklärung

Vorsicht rate ich jeher an, sparsam sei man mit Liebeserklärungen, zu groß die Gefahr, sie willkürlich, sie inflationär und damit völlig wert- und bedeutungslos einzusetzen. Das Wort verkommt zu dem, was eine waldviertler Band in einem Blues "Love is a 4-letter word" überschrieb. Vermessen auch von mir, "Liebeserklärung" als Tag (Label, Keyword) einzusetzen. Aber Unbelehrbarkeit gehört zu den Eigenschaften des Durschnittlichen, des Average (früher zielte ich ab, keine Eigenschaften haben zu wollen, aber dazu fehlt es an Größe). Nun zu meiner Liebeserklärung, die gilt, erraten: einem Radiosender.
Völlig verrückt, nicht? Zuerst predigen (Wasser), sparsam sei man, bla bla, dann (Wein) urassen. Aber Sie tut mir unrecht, die werte Leserschaft so denkend, denn obhinschon ich wohl andere Radiosender mit Worten einer Jugend belegte, die heute auch nicht mehr gerade jung ist, "cool", "extracool", "...cool" (den Rest erspare ich Ihnen), so bedarf es schon des Besonderen, um mir eine Liebeserklärung abzuringen. Wann haben wir uns kennengelernt? Genau weiß ich es nicht mehr. Es ist ja so, daß der Herr Vatern im Hause Average (wobei: nehmen Sie below Average an) an der UKW-Empfangseinrichtung, welche eine breite Skala hatte mit verschiedenen Frequenzbändern und klingenden Städtenamen drauf, auf ebendieser Skala winzige Papierschnippsel, akribisch ausgeschnitten und mit einer leicht zittrigen, für die damals noch geringere Anzahl an Jahren, langsamen und doch verwackelten Schrift versehen, anbrachte, mit einem Stricherl neben dem Kürzel, zu dem hin man möglichst genau die Mitte der roten Visiereinrichtung per Fingerrad bewegen mußte. Und die Einträge waren: "S", "N", "B" und "1". Je nach Wochentag und Tageszeit wurde gewechselt, wobei anzumerken ist, daß "B" hier eindeutig bevorzugt war, "B" auch am wenigsten rauschte in jenen Tälern, wo außer Radio und Fernsehempfang nur die wenigen Blätter jener wenigen Laubbäume inmitten haushoher Tannen, Fichten und anderem Nadelgehölz rauschten. (Hie und da rauschte ein Auto durch, die meisten bewegten sich ob der unbefestigten Straße aber gemächlich fort.) Der Sender, dem die heutige Liebeserklärung gilt, war wohl dabei, wurde aber praktisch nie gehört, wenngleich sich im Hause Below Average eine bürgerliche Kultur (mit dem Gestus, nichts wissend, nichts verstehen suchend, aber Überlegenheit gegenüber den Peers fühlend, konsumiert) eingeschlichen hatte, die aber sukzessive durch zunehmende Satellitenbilderbombardements aus deutschen Landen oder schlecht synchronisierte US Bilderbomben verdrängt wurde und in einigen Verdiopern ihr Sediment fand. Viele Jahre später. Nein: noch mehr. Ich hörte also, sitzend auf einem harten Klappstuhl in einem maßlos überfüllten - von Menschen, von Langeweile, von Handystrahlung - Saal einen bärtigen, sehr symphatischen mittelalten Herrn sagen, man könne doch froh sein, daß es Ö3 gibt, denn damit werde er querfinanziert. Ob wir ihn denn eh regelmäßig hören, diesen Sender. Der erste Gedanke war, wer kann sowas schon hören den ganzen Tag lang? Aber die Neugierde geweckt, stellte ich also bei meinem Digitaltuner 92,0MHz ein, hörte auf zu hören und begann hinzuhören. Anfangs Nachrichten und Journale auf einem Niveau, das mMn unerreicht ist, jedenfalls in diesem Lande. Das war Achtung, Ehrfurcht, Interesse - aber Liebe? Wieder einige Jahre später bin ich ihm dann anheimgefallen, völlig, habe mich quasi aufgegeben und beziehe viel Kraft daraus. Höre ihn ganzen Tag, genieße die Musik und ganz besonders die gelehrigen, funderiten und begeistert vorgetragenen Kommentare und Erklärungen. Kultur wird hier genauso ernst genommen, wie politisches Geschen, die Kreditkrise und wasweißichnoch. Letztens war ich, falls die geneigte Leserschaft des Blogs noch kurz Zeit fände weiterzulesen, in einem Einkaufszentrum mittlerer Ausdehnung. Ich mach es kurz: mich ekelt so ziemlich alles dort an. Die Leute, das Angebot an Ramsch, die Kaufhausmusik, der Geräuschpegel, ja okay, lernen kann man noch was, quasi mit dem Getue des Forschers, der in ein unbekanntes Terrain vordringt. Dunstig, schwül, war es auch noch, und wie immer war ich in Eile, spürte den Ärger stärker aufkeimen über die Zeitverschwendung, schon im dritten Geschäft nicht fündig zu werden, klemmte mich wieder hinters Lenkrad und dann Miriam Jessa über ein Mazedonisches Gesangsstück, dessen Text solch gar arge Pein ausdrückt: "Soll ich´s ihnen trotzdem vorlesen. Ja, sie werden´s schon ertragen,..." Mit einem Mal ist all der Ärger weg. Oder "Abenteuer Interpretation" - unerreicht. Oder auch die Radiogeschichten. Oder die Frühmusik, quasi Populäres zum Aufwachen, trotzdem nicht ohne Anspruch. Ich gestehe im Wissen um die möglichen Konsequenzen: ich bin verliebt in Radio Ö1.

Freitag, 26. Juni 2009

New proverb

Dear english speaking community, another german language proverb.
  • deutsch: "Das geht runter wie Öl"
  • englisch: "this goes down the throat like oil"
(means, that something, mostly some kind of laud or compliment is seen very positive)

Dienstag, 23. Juni 2009

Missing proverbs

Aus Ärger über das Fehlen von probaten Übersetzungen für Sprichwörter (lt. LEO und dict.cc gibt es nur zahnlos-fade Überstetzungen) erfinde ich jetzt die groben, wörtlichen, bestimmt unzulässigen und schlichtweg falschen Übersetzungen folgender Sprichwörter:

  • deutsch: Nichts wird so heiß gegessen, wie gekocht.
  • english: Nothing is beeing eaten that hot, as it is cooked.

  • deutsch: So schnell schießen die Preußen nicht.
  • english: The Prussia are not that fast on the trigger.